
Kunst, aber anders
Obwohl Vaduz nicht gerade der „Nabel“ der Kunstwelt ist, ist der Hauptort des Fürstentums Liechtenstein mit seinen knapp 6000 Einwohnern in Sachen zeitgenössischer Kunst absolut eine Reise wert. Um das vor 25 Jahren als monumentaler schwarzer Kubus in das Ortszentrum geklotzte Kunstmuseum Liechtenstein genauso wie die vor zehn Jahren an dieses angedockte weiße Hülle für die Hilti Art Foundation zu besuchen. Den Eingangs- bzw. Kassabereich teilen sie sich und ein Ticket berechtigt zum Besuch beider Museen. Inhaltlich trennen die zwei Kunstorte allerdings Welten. Denn während in der Hilti Art Foundation anhand exzellenter Werke der Klassischen Moderne in die neuere europäische Kunstgeschichte eingetaucht wird, landet Mann/Frau nebenan hart in der Gegenwart. In der aktuellen Schau „Auf der Straße“.
In dem von Christiane Meyer-Stoll kuratierten Parcours wird von 26 Künstlerinnen und Künstlern multimedial der öffentliche Raum verhandelt. Wird die Straße zu viel mehr als zum Ort, um von da nach dort zu kommen. Sondern zum Schauplatz, an dem sich das wirkliche Leben abspielt, sich gesellschaftliche Verwerfungen abbilden, Begegnungen stattfinden, politische Botschaften bisweilen hart aufeinanderprallen, Träume genauso wie Albträume wahr werden.
Um in die Ausstellung wirklich eintauchen zu können, sollte man viel Zeit mitbringen. Gibt es hier doch sehr viel zu lesen, schauen, zu begreifen und hinterfragen, wie der öffentliche Raum nicht zuletzt auch unser eigenes Handeln und Sein beeinflusst. Die in vier Räumen inszenierte Schau folgt unterschiedlichen, raffiniert ineinander verwobenen Themensträngen, in denen manche KünstlerInnen mehrfach auftauchen. Auch die in Wien lebende Russin Anna Jermolaewa, die in der Form von Fotos und Installationen zur klugen, aber nie die moralische Keule schwingenden Augenöffnerin wird.
Begleitet wird die Schau, die einen großen Bogen von den 1960er-Jahren bis heute spannt, durch einen äußerst schön gestalteten Reader, den sich zu leisten wirklich lohnt. (Bis 31. August 2025)
Von der Moderne ins Heute
Kontrastprogamm nebenan, wo die 1998 gegründete Hilti Art Foundation in ein bis zweimal jährlich wechselnden Ausstellungen Teile ihrer Sammlung von Werken der Klassischen Moderne in ihre rund 450 Quadratmeter große, auf drei Ebenen ausgebreitete „Auslage“ stellt. Aktuell 40 Gemälde und Skulpturen von 23 KünstlerInnen, die Karin Schick, die neue Direktorin der Foundation, programmatisch zum Thema „In Touch“ ausgewählt hat. Aus rund 500 Werken der Sammlung, die kontinuierlich wächst. Wofür es ein Budget gibt, von dem jedes Museum nur träumen kann, so Schick. Wie hoch es ist, wird allerdings nicht verraten.
In der dreiteiligen Schau zu sehen ist mit Max Beckmanns 1950 gemaltem Gemälde „Clown mit Frauen und kleiner Clown“, das erst im vergangenen Dezember um mehr als dreieinhalb Millionen Euro ersteigert worden ist, eine der jüngsten Erwerbungen der Hilti Art Foundation. Um sich hier in künstlerisch standesgemäßer Nachbarschaft mit Größen wie Mondrian, Kandinsky, Magritte, Kirchner oder Macke zu matchen. Inszeniert als ein auf unterschiedlichen Temperamenten und Prägungen basierendes spannendes Spiel mit Nachbarschaften, Verwandtem und Trennendem.
Erfreulich ist, dass der die Schau Besuchende in Teil drei aus der Kunstgeschichte ins Heute auftaucht. Wird hier doch der klassischen Malerei von Lovis Corinth jene des um 72 Jahre jüngeren Gotthard Graubner gegenübergestellt. Der zunehmend die Realität farbig auflösende Menschen- und Landschaftsmaler dem Erfinder monumentaler Farbkörper, die zum meditativen Versinken animieren. Graubners Bilder stammen wie die von Sean Scully, die im Herbst mit jenen von Paul Klee ein neues spannendes Duo bilden werden, übrigens aus der Privatsammlung von Michael und Caroline Hilti. (Bis 12. April 2026)
Zu den Ausstellungen:
⤇ Auf der Strasse (11.04. – 31.08.2025), Kunstmuseum Liechtenstein
⤇ In Touch - Begegnungen in der Sammlung (16.05.2025 – 12.04.2026), Hilti Art Foundation