Lorenz Estermann - related distance: Künstler – Händler – Künstler
Wer aufmerksam über die heimischen Kunstmessen streift, hat ihn sicherlich bemerkt, eventuell sogar das eine oder andere Werk an einem seiner Messestände erworben: Lorenz Estermann ist seit vielen Jahren als Kunsthändler mit einer feinen Auswahl von Werken meist österreichischer Künstler:innen präsent.
So geplant war das eigentlich nicht, denn der Absolvent der Meisterklasse von Ernst Caramelle an der Universität für angewandte Kunst Wien, kann auf eine frühe und recht steile Karriere als Künstler zurückblicken.
Der Beginn lag in der Malerei und Zeichnung. Beispiele seiner frühen abstrakten Kompositionen sind auch in seiner groß angelegten Werkschau im Museum Liaunig zu sehen.
Doch Ende der 1990er Jahre verlässt Estermann nach und nach die ungegenständliche Welt der malerischen Fragestellungen und wendet sich den räumlichen Dimensionen zu, die ihm in der Wirklichkeit begegnen. Skizzen von Naturerlebnissen geben dabei aber weniger die naturgetreue Abbildung wieder, sie sind vielmehr Momente der Erinnerung, Gedankenfetzen in denen Räumliches und Erinnertes zusammenfließen. Bald gesellte sich zu Pinsel und Zeichenstift die Fotografie und vor allem die Architektur als Element unseres Alltags. Es sind nicht die großen Häuser, die Estermann dabei ins Blickfeld rückt. Auf seinen fotografischen Streifzügen dokumentierte er Wartehäuschen, Kioske, Badehütten oder Schuppen und befragte diese Gebrauchsarchitektur nach ihrer Funktionalität. Er isolierte diese Bauten indem er den Prints der Fotografien Übermalungen hinzufügt und ihre Funktion durch scheinbar sinnlose, aber assoziationsreiche Begriffe, deren Typographie zwischen Billboard und Graffiti changiert erweiterte.
Gleichzeitig baute Lorenz Estermann ab den frühen 2000er Jahren kleine Architekturmodelle, die zu Beginn in seine Raumuntersuchungen der Malerei einflossen, zunehmend jedoch eine eigenständige Rolle in seiner Kunstproduktion spielten. Die Malerei wanderte zunehmend von der Leinwand hin zu den Oberflächen seiner Modelle, die gleichzeitig ihre Dimensionen deutlich veränderten. Größere Varianten der Gebilde platzierte er im öffentlichen Raum, um mit diesen Interventionen die Wahrnehmung der Betrachter:innen herauszufordern und Fragen zur Simulation von Wirklichkeit durch das Modell zu stellen. Manche der dreidimensionalen Strukturen stellte er in menschenleere Landschaften, nur um sie zu fotografieren und in der frühen Zeit der computergestützten Bildbearbeitung die Rolle der Fotografie als Abbild von Wirklichkeit zu thematisieren.
Die größte Bedeutung im Werk von Lorenz Estermann erlangen die kleinen Modellhäuschen, die nun den zentralen Bereich der Ausstellungshalle im Museum Liaunig einnehmen. In ihnen verschmelzen die Utopien und manchmal auch Dystopien der Architektur mit praktischen Vorstellungen der Betracher:innen / potentiellen Nutzer:innen, sollten diese Gebilde jemals als Vorlage für real Gebautes dienen. Dabei vermeidet es Estermann geschickt, seinen Konstruktionen auch nur den kleinsten Hinweis auf eine sinnhafte Nutzung einzuschreiben.
Seine Werkserien bescheren Estermann eine wachsende Zahl von Ausstellungen und Katalogen, doch das geht nicht einher mit wachsenden wirtschaftlichen Erfolg. Daher musste sich der Künstler nach einem anderen Betätigungsfeld umschauen, um das Künstler-Prekariat verlassen und seine Familie ernähren zu können. Er gründete eine Kunsthandlung und beendete zwischenzeitlich seinn künstlerisches Schaffen.
Erst Peter Liaunig, Sohn des Museumsgründers Herbert Liaunig, machte Estermann wieder Lust auf die Produktion neuer Arbeiten und bot ihm die Möglichkeit einer Personale im Museum in Neuhaus.
Die neuen Arbeiten knüpfen ganz im Sinne des Ausstellungstitel „related distance“ an den Beginn des künstlerischen Lebenslaufs an. Einfache geometrische Formen enthüllen darunterliegende abstrakte Strukturen auf der ansonsten monochrom verschlossenen Leinwand. Die aktuellen Zeichnungen haben ihre Wurzeln in den grafischen Landschaften der 1990er Jahre. In den neuen Skulpturen greift der Künstler ebenfalls zurück auf bereits Bestehendes. Er schneidet Teile aus den großen alten Modellen und bemalt sie silberfarben, so dass diese fast wie Alugüsse aussehen. Es sind Objets trouvées aus seiner früheren Realität. Und es gibt auch neue Serien, die aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen, etwa die Gletscherschmelze als Folge des Klimawandels.
Er hat sich den Wiederbeginn der künstlerischen Arbeit selbst zum Geschenk gemacht, meint Lorenz Estermann im Interview mit dem artmagazine. Auch wenn er nicht vorhat, seinen Kunsthandel aufzugeben, darf man sich angesichts der neuen Arbeiten wünschen, dass Lorenz Estermann der Arbeit im Atelier wieder mehr Zeit widmen kann.
Mehr Texte von Werner Remm 03.08. - 31.10.2025
Museum Liaunig
9155 Neuhaus/Suha, Neuhaus 41
Tel: +43 (0)4356 211 15
Email: office@museumliaunig.at
http://www.museumliaunig.at/
Öffnungszeiten: Mi-So 10-18 h
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