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Rob Voerman. Entropic Empire: Ruinen für die Zukunft

Die Kunst des Niederländers Rob Voerman (*1966) weist Ähnlichkeiten mit der romantischen Faszination für Ruinen auf. Vor allem hinsichtlich ihrer Materialvielfalt, Bildhaftigkeit und Lust am Verfall. Der Unterschied liegt darin, dass es nicht um einen historischen Bezug oder die Rückkehr zur Natur geht. Aufgrund der aktuellen Werteverschiebung verweist der Künstler mit seinem Faible für Ruinen vielmehr auf eine ungewisse Zukunft und die Notwendigkeit eines Wandels. Dies drückt eine seiner Skulpturen aus: einen „Neustart” statt sich bloß auf die Vergangenheit zu konzentrieren.

In den Mittelpunkt seiner facettenreichen Ausstellung stellt Voerman die spektakulären Trümmer modernistischer Architekturen. Er setzt seine dystopischen Vorstellungen hauptsächlich anhand ihrer ikonischen Bauten um: von Frank Lloyd Wrights Falling Water bis zur verwirrenden Darstellung des UN-Gebäudekomplexes in New York aus seiner Serie „Place of Power”. Mit Skulpturen, Fotografien, Grafiken, Wandobjekten, Bauten und Installationen präsentiert er seine verdrehten und posthumanen Visionen. Er befragt die Architekturen darin kritisch auf ihre Tauglichkeit für die geänderten Klimabedingungen. Da seine Werke nicht hinter Glas oder in Vitrinen ausgestellt werden, sondern frei begehbar sind, gewinnt man den Eindruck, sich an einem archäologischen Fundort zu befinden, an dem vor Kurzem eine Explosion stattgefunden hat. Diese verstörende Atmosphäre, die sich, wie für eine ambivalente Gegenwart typisch, zugleich utopisch als auch dystopisch ausnimmt, macht „Entropic Empire” so ungewöhnlich und vital.

Betritt man die Ausstellung, wird man von einem aus Karton, Holz und farbigem Glas bestehenden „Observatorium“ begrüßt, das einen animalischen, etwas magisch-orientalen und brüchigen Eindruck macht. Die monströs großen Augenfenster des Schlupflochs wecken die Neugierde, sich mehr als nur symbolisch mit der Form auseinanderzusetzen – beispielsweise, indem man sich darin versteckt. Diese sowie die anderen hybriden Architekturen und Skulpturen des Künstlers sind traditionell aus „armen“, recycelten Materialien im Stil einer Collage oder Assemblage handwerklich gefertigt. Ihr provisorisches Äußeres, das im Sinne von „viscous porosity“ hergestellt wurde, wirkt im Kontrast zur Glätte moderner Bauten befremdlich. Wie uns die erste mehrteilige Installation demonstriert, hängt schließlich alles mit einer (blauen) Schnur der gegenseitigen Abhängigkeiten zusammen. Dazu zählt speziell die (westliche) Demokratie, die in diversen Arbeiten des Künstlers in Form des freischwebenden, zerstückelten griechischen Amphitheaters symbolhaft erscheint.

Voermans Adaptionen der bestehenden, in seinen Werken meist völlig zerrütteten modernen Architektur basieren auf dem theoretischen Plädoyer des Autors für scharfsinnige Kritik an aktuellen Machtstrukturen. Seine Lösungen sind nicht klar begrenzt und auch keine „Hüllen”, sondern eher Häute. Sie sind wie sensitive, teilweise transparente Kontaktflächen zur Umwelt und sollten im Austausch mit der Gesellschaft stehen. Erzählt wird vom Scheitern utopischer Ziele von damals und heute. Ähnlich wie auf seinem bekannten Foto „Unité” (2014). Darauf hat der Künstler das rasterartige Unité d'habitation von Le Corbusier in eine unheimliche biomorphe Science-Fiction-Szene wie aus Spielfilmen verwandelt. Hier zeigt sich das Neue als ein Ort, an dem man die Perspektive wechseln kann.

In Voermans postapokalyptischen Landschaften verkörpern die sozialen Medien das letzte Kapitel der Macht. Seine Lichtinstallation The Republic zeigt eine Mischung aus Zeitungsbildern und Texten. Der bunte Chaos-Mix aus Desinformation und Propaganda mag überfordern. Wie ein Widerpart breiten sich an den Wänden noch Graffiti aus. Daraus lässt sich ableiten, dass die Welt nach „Maß und Proportionen” obsolet ist, eine Katastrophe scheint sich abzuzeichnen. Die Architektur als Leitmotiv der eigenen Kunst zu wählen, war bestimmt kein Zufall. Denn sie spielt bei jeder denkbaren Bedrohung eine essentielle Rolle.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Rob Voerman. Entropic Empire
23.05.2025 - 15.03.2026

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg
5020 Salzburg, Mönchsberg 32
Tel: +43 / 662 / 84 22 20-403, Fax: +43 / 662 / 84 22 20-700
Email: info@mdmsalzburg.at
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Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi 10-20 h


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