
Eher so normal
Die Mega-Galerie ist gelandet. Pünktlich zum Gallery Weekend Berlin öffnet Pace in der Tankstelle der Galerie Judin seine deutsche Niederlassung. Während Judin Arbeiten des Vorreiters queerer Kunst Tom of Finnland zeigt, ist bei Pace eine – positiv ausgedrückt - gediegene Mischung von Dubuffet, Basquiat, Nava zu sehen. Der traditionelle Aufgalopp am ersten Maiwochenende könnte in diesem Jahr trotz noch größerer Krise ohnehin etwas internationaler ausfallen als in den letzten Jahren als man es mittlerweile fast gewohnt ist. Die möglicherweise etwas zurückhaltenderen US-Amerikaner könnten durch Zuspruch aus Asien Verstärkung erfahren. GWB-Direktorin Antonia Ruder erzählt von gestiegenen Besucherzusagen.
Die 80 Ausstellungen der 52 teilnehmenden Galerien reichen vom bombastischen 3D-Edelkitschvideo Cyprien Gaillards, bei Sprüth Magers, das zuvor schon in der Fondation Beyeler und den OGR in Turin zu sehen gewesen ist, bis zur konzeptuellen Kunst-Kunst von Alexandre Kondhji bei Sweetwater. Die beiden Galerien beschreiben auch den Bogen, den den die gelungen durchmischte Auswahl des GWB quer durch die Berliner Galerienszene spannt. Nach einer jahrzehntelangen Findungsphase darf die lokale Branche als gereift gelten. Es ist wirklich schon 20 Jahre her, dass die vor 30 in Köln gegründete Buchmann Galerie in die Hauptsadt gezogen ist. Zum Jubiläum werden unter anderem 250 Zeichnungen von Tony Cragg gezeigt. Neugerriemschneider warten mit einer großen Ausstellung neuer Arbeiten von Thomas Bayrle auf. Neben dem Etablierten im bürgerlichen Ambienet extistieren in Berlin aber immer noch die rauen, ungeschliffenen Orte, für die Berlin einst berühmt war. Die Galerie Ebensperger hat mit dem Fichtebunker in Kreuzberg 2023 so einen Lost Place gefunden, den sie in diesem Jahr gleich mit drei parallelen Ausstellungen bespielt, eine davon ist die "Bibliothek der ungelesenen Bücher" von Julius Deutschbauer, die immer weiter anwachsen soll, bis sie im November den gesamten Galerieraum einnehmen wird. Der Umweg zum ungewöhnlichen Ort lohnt sich!
Ein Coup ist der Kunstmesse Paper Positions gelungen, die erstmals in der zentralen Haupthalle des ehemaligen Flughafens Tempelhof stattfindet. Die neue Location scheint Eindruck zu machen, denn so international war die kleine Veranstaltung wahrscheinlich noch nie. Aus 19 Ländern reisen Galerien an und längst ist schon nicht mehr nur das Einsteigersegment vertreten. So hat Wannsee Berlin Arbeiten von Yael Bartana dabei, oder Patrick Heide aus London etwas von Oskar Holweck. Eine alte Bekannte überrascht in neuem Gewand: Anna Jill Lüpertz, die lange einen Raum in der Potsdamer Straße betrieben hatte, ist nach einer Pause zurück mit ihrem nomadischen Format The Gallery by La Lüpertz. Neu ist die kleine Sektion ceramic positions, für die sich teilnehmende Galerien mit jeweils einer Position bewerben konnten. Ein Testballon, so Messedirektor Heinrich Carstens. Wenn das Format gut angenommen werde, sei eine Verstetigung angedacht. Auch in den nächsten Jahren soll die Messe in der historischen Halle des legendären Flughafens stattfinden. Damit wird es dann vielleicht doch noch etwas mit einer Kunstmesse von internationaler Strahlkraft in Berlin.
Galerist Johann König veranstaltet im Kutscherhof des Telegraphenamts, einem hippen Luxushotel in historischen Mauern, eine gar nicht mal so kleine Pop Up-Messe, unter anderem mit Arbeiten aktueller und ehemaliger Künstler der Galerie.
Berlin ist vielleicht nicht mehr so sexy wie früher, aber an manchen Stellen auch nicht mehr arm. Eher so normal, mit allen schönen und weniger schönen Seiten. Dazu könnte dann auch ein funktionierender Kunstmarkt gehören, wie er in anderen Metropolen existiert.
