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Leinwandmomente

Die Diagonale in Graz macht Jahr für Jahr das neueste österreichische Filmschaffen sichtbar. Einige Spielfilmdebüts junger Regisseur:innen wurden bereits sehr beachtet, darunter der Eröffnungsfilm „How to be Normal and the Oddness of the Other World“ von Florian Pochlatko, das nachdenkliche Roadmovie „Callas, Darling“ der Burgtheater-Schauspielerin Julia Windischbauer und das vielfach preisgekrönte, in Somalia angesiedelte Familiendrama „The Village Next to Paradise“ von Mo Harawe, das den Großen Spielfilmpreis der Diagonale 2025 gewann. Ebenfalls mit einem eindrucksvollen Spielfilmdebüt war Alexandra Makarová vertreten. Talentiert und bewegend erzählt die Tochter der Malerin Saša Makarová in „Perla“ die (fiktionale) Geschichte einer 1968 aus der Tschechoslowakei nach Wien geflohenen, slowakischen Malerin, die in den frühen 1980ern von einer alten Schuld eingeholt wird.

Ganz anders geht die Künstlerin und Filmemacherin Miriam Bajtala mit dem Thema Exil und Neuanfang um. Ihre Eltern flüchteten ebenfalls aus der früheren Tschechoslowakei. In ihrem ersten Spielfilm „Becoming Outline“ performen Laiendarsteller:innen Episoden von Bajtalas Kindheit, ihres Aufwachsens und ihrer sozialen Emanzipation, jedoch nicht in Räumen, sondern in durch Bänder auf einer Wiese abgesteckten Grundrissen ihrer früheren Wohnungen. Damit erschafft die Künstlerin eine neue, innovative Form einer filmischen Autobiografie.

Autobiografisch in einem weiter gefasst Sinn ist auch der Experimentalfilm „Lacrimosa“ von Josef Dabernig, in dem Mitglieder seiner Familie in einem Haus, das er seit seiner Kindheit kennt, eine rätselhafte Begräbniszeremonie performen, begleitet von einem Text, der zugleich erklärend und verwirrend wirkt. Distanziert und doch persönlich gibt Dabernig so eigenen Erinnerungen Raum.

In der Dokumentarfilm-Auswahl stand ein Screening von „Henry Fonda for President“ von Alexander Horvath auf dem Programm. Eindrucksvoll wird darin anhand der Biografie des bekannten Schauspielers, selbst Nachfahre einer im 17. Jahrhundert aus den Niederlanden ausgewanderten Pionierfamilie, auch amerikanische Geschichte im Großen thematisiert. In „On the Border“ machen Gerald Igor Hauzenberger und Gabriela Schild den Einfluss sichtbar, den die geopolitischen Agenden der EU auf die Tuareg-Stadt Agadez im Norden Nigers haben, und wie eine willkürlich gezogene Grenze, die Migration stoppen soll, ihren Bewohner:innen die Lebensgrundlage entzieht. Unvergesslich die wiederkehrenden Bilder von Unmengen von in Bäumen verhakten Plastiktaschen, die der Wind unaufhörlich mit sich bringt – „Geschenke“ des globalen Nordens, deren vor Ort nicht Herr zu werden ist.

Nachhaltig in Erinnerung bleibt auch die mit dem Diagonale-Preis für Innovatives Kino der Stadt Graz ausgezeichnete Produktion „Der tote Winkel der Wahrnehmung“ von Michael Gülzow. Die Handlung lässt Erinnerungen an den Horrorfilm „Blair Witch Project“ wach werden, doch geht es in dem Mockumentary um gefundene Videoaufnahmen aus den 1990-Jahren, in denen zwei Studentinnen der Wiener TU einer angeblichen Unterwanderung durch Echsenmenschen und den darum herum angesiedelten Verschwörungserzählungen nachgehen. Mindestens einen sehr gruseligen Moment gibt es auch.

Als ebenfalls fulminant erwies sich Norbert Pfaffenbichlers dystopischer, verspielt-düsterer Stummfilm „2551.03 – The End. Der letzte Teil einer Trilogie erwies sich als wahres Delirium aus Fantasie und Genre-Zitaten. Pfaffenbichler borgte meisterlich und von den Besten: Fritz Lang, Andrei Tarkowski, Franz Kafka, David Lynch, Stanley Kubrick, Günter Brus, Tim Burton u. u. u. Ein Fest unbändiger Kreativität, begeistert der Langfilm mit einer tragischen Geschichte und bitterbös-komischen Details in einer geschlossenen, fensterlosen, aber furios ausgestatteten Welt, in der alle Menschen Masken tragen. Die ersten beiden Teile der Trilogie, „2551.01 – The Kid“ und „2551.02 – The Orgy of the Damned“ sind noch bis 27.4. auf der Streaming-Plattform KINO VOD CLUB zu sehen, ebenso wie mehrere weitere Filme aus dem diesjährigen Diagonale-Programm.

⤇ www.diagonale.at

Blickpunkt Diagonale’25 – Diagonale-Filme online streamen:
⤇ events.vodclub.online/diagonale-2025-artikel-programmueberblick/
Bis 27. April 2025

Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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