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Kaiserring 2025 für Katharina Fritsch

Der Kaiserring der Stadt Goslar geht im 50. Jubiläumsjahr an Katharina Fritsch. Die Künstlerin, die 1956 in Essen geboren wurde, hat den Bildhauerei-Begriff neu definiert. Sie gehörte schon in den 1980er Jahren wie Thomas Schütte und Reinhard Mucha zur Düsseldorfer Kunstszene, die prägend für die Kunst der Zeit war.

Der internationale Durchbruch gelang ihr noch als Studentin von Fritz Schwegler in der Ausstellung "Von hier aus" 1984 in Düsseldorf. Schon damals konnte sie mit zwei Töpfen, gefüllt mit Wasser und einem orangefarbenen Gummikern, eine Grundangst erzeugen. Mit "Elefant" von 1987 schrieb sie Kunstgeschichte. Die Großskulptur ist eine trügerische Erscheinung und ein Wunderwerk mit einer großen Strahlkraft in der grünen, monochromen Farbe.

Im selben Jahr stellte sie zu den Skulptur-Projekten Münster eine lebensgroße gelbe Kunststoffversion der Lourdes-Madonna ins Stadtzentrum. Die schlichte Nachbildung einer Heiligen in der gelben Farbe löste die unterschiedlichsten Reaktionen aus. So wurde die erste Version demoliert, aber es lagen auch Blumen neben der Figur. 1995 demonstrierte sie mit ihrem "Museum" für die Biennale von Venedig, wie sie sich ihr Modell für die Kunst vorstellt: Als fernen Pavillon, umgeben von 200 stilisierten Bäumen wie von einer Dornröschen-Hecke. Eine Trutzburg gegen den heutigen kulturellen Massenbetrieb.

Ihre figurativen Skulpturen leben in einer seltsamen Spannung aus Nähe und Distanz. Vieles wirkt zunächst alltäglich, kippt aber sofort ins Gegenteil angesichts einer übertriebenen Rollenverteilung von Mann und Frau, Mensch und Tier, Gut und Böse. Das Spiel wirkt absurd und bewirkt in einer Multiplikation Alpträume. Staunen und Erschrecken wohnen dicht beieinander. Werke wie "Rattenkönig" haben eine extreme Klarheit, lassen sich jedoch nicht ganz entschlüsseln. Sie sind von lebenden Menschen und Tieren abgenommen, aber zugleich fiktiv. Sie pendeln zwischen größter Künstlichkeit und größter Natürlichkeit. Sie spiegeln die Ambivalenz der 1980er und 1990er Jahre, die von Drogen, Aids, Alkohol und insgesamt von Existenzangst bestimmt war.

"Tischgesellschaft" von 1988 ist ein überrumpelndes Porträt der heutigen Gesellschaft, aber zugleich ein widersprüchliches Bild eines einsamen Mannes am Tisch, der still vor sich hin starrt, als denke er über die Welt nach. Eine Körperschaft aus nur einer multiplizierten Figur, mit der gleichen, leicht gesenkten Körper- und Kopfhaltung. Ein Jedermann in einem Umfeld, wo Rationales und Irrationales zusammenfallen. Der Eindruck des Nicht-Fassbaren wird verstärkt durch eine Tischdecke mit dem geometrischen, floral anmutenden Muster, das an ein grobes Lochkartensystem erinnert.

Bei "Mann und Maus" (1991 - 1992) verarbeitet sie eine Nachtmär, setzt sie aber gegenteilig um. Nun liegt der Mann im Bett und eine Riesenmaus lagert über ihm. Ein paradoxes Bild zwischen einer ursprünglich niedlichen Maus und einem ursprünglich langen Mann, der sich unter der Bettdecke verkriecht. Das ist ein humorvoll-ironischer Geschlechterkampf. Die Demonstration des Absurden, des Teuflischen – und doch auch des Glanzvollen. 2013 glossierte sie im blauen Hahn auf der Vierten Plinthe am Trafalgar Square die grauen Heroen mit ihrem männlichen Imponiergehabe auf den übrigen Sockeln.

Seit ihren Anfängen macht sie Editionen mit kleinen Dingen wie einer goldenen Ähre, einer schwarzen Schlange oder einem weißen Gehirn, wobei sie die Farben sehr genau ihren Objekten zuordnet. Sie werden in den letzten Jahren immer größer und doppeldeutiger, und sie gewinnen eine übermenschliche Kraft, die sich nicht erklären lässt. "Muschel" wechselt vom Fundstück über das Kaurigeld zum Symbol der weiblichen Sexualität und endet 2024 in einem hohen, schwarzen, stehenden Objekt, das verschlossen wirkt und sich nicht deuten lässt. So geht es auch der Hand, die zum Menetekel oder zur violetten Bettlerhand wird, und den Körperfragmenten, die als Skelettfüße enden. Manchmal genügt ein Wechsel des Materials, so dass betende Hände im Polyesterglanz den Blick des Betrachters zurückzuwerfen scheinen.

Historische Postkarten aus Essen mit dem Baldeneysee oder dem Grugapark, die der Großvater seiner Enkelin einst schickte, eigene Fotos, Zeitungsausschnitte, Poster mit nacktem Popo oder einem gut gebauten Adonis aus Ibiza werden auf Panoramamaß vergrößert und im Siebdruckverfahren verfremdet.

Marion Ackermann, die zukünftige Generaldirektorin der Berliner Staatlichen Museen, gehörte zum Fachpreisgericht wie Penelope Curtis, die ehemalige Direktorin der Tate Britain, Museumsdirektor Fabrice Hergott vom Musée d’Art moderne de la Ville de Paris, Friedemann Malsch als Ex-Direktor des Kunstmuseums Liechtenstein, Susanne Pfeffer vom Museum für Moderne Kunst in Frankfurt/Main und Florence Thurmes, Generaldirektorin der Kunstsammlung Chemnitz. Sie alle stimmen mit der Chefkuratorin Cecilia Alemani aus Venedig überein, dass der Beitrag von Katharina Fritsch zur Kunst der Gegenwart unvergleichlich sei. Es fühle sich an, so Alemani, als würde man Denkmäler einer fremden Zivilisation betrachten oder Artefakte, die in einem seltsamen posthumanen Museum ausgestellt sind.

Die Verleihung des Kaiserrings an Katharina Fritsch ist am 11. Oktober in der Kaiserpfalz in Goslar durch Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner. Im Anschluss daran wird eine Ausstellung im Mönchehaus Museum durch Bettina Ruhrberg eröffnet.

(Dieser Text wurde der Stadt Goslar von der Düsseldorfer Journalistin Helga Meister zur Verfügung gestellt)

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Abbildung: © Janna Grak

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