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Die Pfeile des wilden Apollo. Klopstockkult & Ossianfieber: Klopstock & Co reloaded

Wie nicht nur die Kulturgeschichte zeigt, Stile, Moden, Trends ändern sich und kehren in ähnlicher Form immer wieder. Kurz gefasst ist es ein ewiger Wechsel von Schlichtheit und Opulenz, Bescheidenheit und Dekadenz, Vernunft und Irrationalität. Eben darf man sich wohl die Augen reibend in solch einem Übergang fühlen und bisweilen hilft ein Blick in die Geschichte, um den Verdacht bestätigt zu bekommen, all das geht womöglich wieder vorbei.

Eine Ausstellung in den Kunstsammlungen der Akademie der Bildenden Künste Wien legt den Fokus nun auf so eine Schwellenzeit, jener zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung, mit der These, dass der für eine Bildkunst problematische Augenschein durch das Sphärische und Diffuse durch die Hinwendung zur Akustik abgelöst wurde. Es geht um innere Bilder in diesem „acustic turn“ und wer würde derlei nicht besser verkörpern als blinde Seher und Dichtersänger. Homer und Ossian gelten hier ebenso als Gewährsleute wie John Milton.

„Die Pfeile des wilden Apollo“, so der Titel der Schau, widmet sich den nachgeraden epischen Werken „Paradise lost“, das der erblindende John Milton seinen Töchtern diktiert und dem „Der Messias. Ein Heldengedicht“, seines wohl prominentesten Nachfolgers. Beinahe drei Jahrzehnte arbeitete dessen Autor Friedrich Gottlieb Klopstock an dem Opus und versetzte all jene, die ihm folgten, „in ein nahezu dreißigjähriges Exerzitium, das von der Möglichkeit der Übertragung und Verstärkung von Affekten ausging“, wie es im Begleitheft zur Ausstellung lautet. Klopstock wurde Kult und inspirierte zu Kompositionen wie Illustrationen, entsprechend der Vorlage zu ganzen Bilderfolgen, Heinrich Friedrich Füger, einst Direktor der Wiener Akademie, beispielsweise, womit nicht der einzige lokale Bezug der Ausstellung hergestellt wäre. 

Man könnte „Die Pfeile des Apollo“ in den Kunstsammlungen als Veranstaltung für Spezialisten bezeichnen, doch ist sie dank eines klugen Zugangs und einer interessanten Präsentation nicht nur das. Kurator Alexander Roob, selbst ausgebildeter Künstler, mit weitreichender Expertise im Bereich Comiczeichner, Kirchen- und Bühnenmaler sowie deren Theorie, schafft es in seiner Darstellung den Blick auf gegenwärtige Phänomene zu lenken. Mit seiner Begeisterung für das Eislaufen und „der Idee, Gedichte könnte metrisch nach den Bewegungen auf dem Eis geformt werden, stellt sich Klopstock als poetischer Vortänzer an die Spitze einer bürgerlichen-patriotischen Skaterbewegung“, ist ebenso eine Überlegung der Ausstellung wie die „archaischen Reenactments“ des Dichters, Steinmetz, Linguisten und Folkloristen Edward Williams, dessen Auftritte als „Vorläufer des modernen Rollenspiels und des Cosplay“ gelten können.

Wie eine jüngere Generation mit derlei Themen konzeptionell umgeht, zeigt eine Reihe von Arbeiten, die im Rahmen eines internen open calls der Akademie der bildenden Künste von neun Studierenden künstlerisch umgesetzt wurden und das Ergebnis ist nicht nur medial vielfältig und schlicht überzeugend. Da hängen bei Pia Maria Wurzer die Herren vom Modellflugclub Kappel-Althofen in einem Videoloop versonnen ihrem eigensten „Elysium“, nach, Julia Kronberger reflektiert mit „All we see is Vision“ William Blake und lässt beim Anblick ihres Objektes, bei dem sich geschmolzenes Glas über einen Stein stülpt, über Materie und Metamorphose sinnieren. Weiters fragt man sich, ob es wohl der wilde Apollo ist, der seine brennenden Pfeile in Eginhartz Kanters Experimentalfilm „Misdirected Impulse“ aus dem Gebüsch schießt, bis er final die Kamera trifft?

Und während sich die Aquarelle von Ina Aloisia Ebenberger mit Orgel- und Harfenklängen von Amar Priganica zu einer Installation verbinden, ist Christian Azzouni mit einer seiner beiden Arbeiten wohl an die Grenze der Ausstellbarkeit aus konservatorischen wie kuratorischen Gründen gestoßen, die er anstatt des Werkes schriftlich darlegt. Auch das passiert im Kunstbetrieb und macht die Fragestellung nicht uninteressanter. Alles in allem haben Kunsthochschulen mit eigener Sammlung für derlei Ausstellungsformate ein Alleinstellungsmerkmal, das der Institution, den Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit gleichermaßen zu Gute kommt. Gerne mehr davon!

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Zur Ausstellung Erscheint ein Essay-Bildband mit den historischen Werken sowie ein Begleitheft mit einem einführenden Text zur Ausstellung sowie sämtlichen Beiträgen der teilnehmenden Studierenden der Akademie der bildenden Künste Wien. ⤇ HIER als PDF Download

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Die Pfeile des wilden Apollo. Klopstockkult & Ossianfieber
07.03 - 25.05.2025

Akademie der bildenden Künste Wien. Kunstsammlungen
1010 Wien, Schillerplatz 3, 1. Stock
Tel: +43 1 588 16 2201, Fax: +43 1 588 16 2299
Email: kunstsammlungen@akbild.ac.at
https://www.kunstsammlungenakademie.at/
Öffnungszeiten: Di-So, Feiertag 10-18 h


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