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Kunst zum Rapport!

Documenta vor dem Aus?

„Documenta is dead“ liest man derzeit immer wieder in den sozialen Medien als Reaktion auf die Neuaufstellung der Documenta. Diese Neuaufstellung schien nach dem Antisemitismus-Skandal der letzten Documenta nötig zu sein und fand jetzt mit der Verkündung eines Verhaltenskodex, dem „Code of Conduct“ durch die Documenta-Gesellschaft einen vorläufigen Endpunkt. Erklärtes Ziel dieses Papiers: Es soll „jeder Form von Antisemitismus, Rassismus und jedweder anderen Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aktiv“ entgegengetreten werden. So weit, so gut. Das Problem aber liest man dann wenige Absätze später: "Die Documenta sieht die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und die Rassismusdefinition der UN-Antirassismuskonvention als für sich verbindlich an." Die Documenta verpflichtet sich also auf die, übrigens auch juristisch, höchst umstrittene Antisemitismus-Definition, die bereits jedwede Kritik an der Politik des Staates Israel als möglichen Antisemitismus erklärt. Und dieser die Meinungsfreiheit ad absurdum führende Maulkorb, den auch die offizielle Politik in Deutschland mit Hinweis auf ihre „Staatsräson“ konsequent verhängt, hat Folgen. Nicht nur für die Mitarbeiter:innen der Documenta, für die dieser Verhaltenskodex in erster Linie gilt, sondern auch für die Ausstellung selbst. Denn der „Code of Conduct“ stellt klar, dass sein „Geltungsbereich sämtliche Arbeitsbereiche der Gesellschaft, mithin sowohl die documenta-Ausstellungen, als auch die ständigen Einrichtungen“ umfasst. Mit welchen Künstler:innen aber sollen in Zukunft diese Ausstellungen stattfinden? Dass die Mehrheit des avancierten Kunstbetriebs, und eben dieser wurde bisher auf der Documenta präsentiert, die Politik Israels scharf kritisiert, ist nicht erst seit Nan Goldins Eröffnungsrede zu ihrer aktuellen Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie hinlänglich bekannt. Um diesen Ausschluss israelkritischer Künstler:innen so weit wie möglich sicherzustellen, hat der „Code of Conduct“ dann gleich noch ein weiteres Instrument installiert: Die neue Documenta-Leiterin Naomi Beckwith muss jetzt drei Monate nach ihrer Ernennung ihr Konzept vorstellen und zudem über, hier kommt der avancierte Kunstbetrieb ins Spiel, „ihre Haltung zu aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet zeitgenössischer Kunst informieren“. Die Kunst wird zum Rapport gebeten – und das bei der angeblich wichtigsten Ausstellung der Welt!

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Abbildung: Aus dem Livestream der Pressekonferenz zur Präsentation von Naomi Beckwith als neue Leiterin der documenta 16

Mehr Texte von Raimar Stange

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