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Peter Buggenhout - umleitung: Skulptur ist Arbeit

Materialien unterschiedlichster Provenienz zeigen sich versammelt in komplexen Konglomeraten, die der belgische Künstler Peter Buggenhout etappenweise zu Plastiken vereint. Insgesamt neun dieser Objekte seiner künstlerischen Verstoffwechslung von Fragmenten früherer Gegebenheiten und Funktionen versammelt der Skulpturenpark Waldfrieden im Gelände, zwei Ausstellungshallen und der Villa, aus einer Zeitspanne von 2014 bis 2025. Es sind Plastiken, die hinsichtlich Farbigkeit und Textur eine fein nuancierte malerische Qualität aufweisen, zugleich geprägt von den materiellen und dynamischen Antagonismen der Stoffe: Metall, Kunststoff, Holz und Textil, Tiermägen, Haar und Staub.

Jedes Objekt für sich versteht der Künstler als den Globus einer eigenen Welt, die nichts illustriert, auf nichts referenziert, von ihm als autonom begriffen wird und doch den Gesetzlichkeiten einer Welt unterliegt, in der menschliche Kontrolle eine Fiktion ist. Auch wenn sein Werk qua Kontext doch ein Kunstwerk ist, zeigt es sich nackt als reine, vielansichtige und unergründliche Stofflichkeit, die sowohl die Empfindung der Schönheit, aber vielleicht mehr noch das Abschreckende, das Abjekte erfasst und bei den Betrachtenden als ästhetische Wirkung zu stiften vermag, anstatt des temporären Erkennens ein fortwährendes Staunen hinterlässt. Es handelt sich um eine Wendung, deren scheinbar manieristische Oberfläche ins Existenzielle vorstößt: „The work is ready, when it looks like nothing“, sagte Peter Buggenhout anlässlich der Pressekonferenz, während ein Teil der Anwesenden Zuflucht in der Frage nahm „Wie ist es gemacht? Haben Ingenieure die Statik berechnet?“. Es ist da und es zerfällt dann wieder in neue Gegebenheiten, insbesondere bei den drei Plastiken, die im Park noch unmittelbarer den Prozessen der Umwelt ausgesetzt sind. Zustandekommen des Werks, auch sein Verfall, sind kein „Recycling“, ein technoider Begriff, dessen unterschwellige religiöse Konnotation „Resurrection“ die Hoffnung auf Wiedergeburt vor dem Nichts beschwört. Aus dem Wissen der Funktion des Materials im Heute wird morgen ein Vergessen.
Während es die Gabe gibt, in allem ein Etwas zu sehen, jeder Fleck eine Fledermaus, spricht der Künstler gegenüber dem Autor von seiner Erfahrung als Sechsjähriger, einem Moment der selbstverständlichen Entfremdung. Er sah im Wirken auf Ton in einem kreativem Bezug – vielleicht ein Workshop für Kinder – keine Gestalt, die sich aus dem Material emporhob. Ist es eine Unfähigkeit, die Dinge in einer referentiellen Form beenden zu können oder ein Talent, weil es den fiktionalen Charakter des motivischem Konstruierens begreift und sich dem nicht fügt, den roten Faden als Hilfe im Labyrinth eines Menschseins im Angesicht der Bestie verweigert?
„Wer kauft denn ihre Kunst?“ kam als Frage im Rund der Pressekonferenz. Sie wäre vielleicht nicht gekommen, wäre Peter Buggenhout bei der Malerei geblieben, die ihm so gut gelang, wie er sagte, dass er misstrauisch wurde und dieses Metier hinter sich ließ. Selbstverweigerung oder Selbstvergewisserung? „I’m a lunatic!“ äußerte der Künstler mehrfach. Das klang nach einer Gewissheit. Darin steckt auch das Wissen um die Orientierung, die Blindenführer anderen Blinden geben, bis hin zur Grube, bis hin zum Sturz. „The Blind Leading the Blind“ als Titel einer seiner Plastiken vereint Jesus, Matthäus, Lukas und Pieter Bruegel als Wissende und Weise miteinander. Andere Werke heißen „Mount Ventoux“ oder „Babel Variationen“. Grenzerfahrungen in denen das Nichts mit der Sehnsucht nach Allem zusammen und ineinander fällt.

Anekdote: im Gespräch mit einem weiteren Autor begab es sich beim Blick auf die Plastik „On Hold #9“, dass beide an einen Narren beim Blick über das Tal der Wupper, über Barmen dachten. Ob auch wohl in Karnevals-fremden Regionen ähnliche Assoziationen auftreten würden, stellte sich uns als Frage. Kontext als Entwurf, verkehrte Welt.

Im Rahmen der Pressekonferenz stimmte Tony Cragg seine Einführung ein mit den Worten „Skulptur ist Arbeit“. Ein Wirken mit dem Material in die Vertikale. Vielleicht ist das eine Formel für die Idee, Leben ist Arbeit wider den Sinn. Der rote Faden ist eine wunschgeschwängerte Retrospektion auf ein unermessliches Feld an Möglichkeiten des Gelingens und Scheiterns im vergangenen Unsinn. Es gibt keine Umleitung.

Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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Peter Buggenhout - umleitung
08.03 - 29.06.2025

Skulpturenpark Waldfrieden
42285 Wuppertal, Hirschstraße 12
Tel: +49 202 47898120
Email: mail@skulpturenpark-waldfrieden.de
http://www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Öffnungszeiten: März bis Oktober: Di-So, 11-18 h

November bis Dezember: Fr-So, 11-17 h


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