Florentina Holzinger bespielt den Österreichischen Pavillon auf der Biennale di Venezia 2026
Florentina Holzinger ist in den vergangenen Jahren mit ihren Inszenierungen zur international gefragten Regisseurin avanciert. Laut, extatisch, gerne mit nackten Darstellerinnen und manchmal blutig transponiert Holzinger ihre Auseinandersetzung mit konservativ-christlichen Weltbildern auf Theater- und Opernbühnen. Gerne verortet die 39-jährige ausgebildete Choreografin sich in der Nachfolge der Tradition des Wiener Aktionismus und lotet körperliche wie geistige Grenzbereiche aus – von sich selbst, ihren Protagonistinnen und dem Publikum. In den letzten Jahren hat sie sich speziell mit ihren für den Stadtraum konzipierten Études der bildenden Kunst angenähert, in der nicht zuletzt die Performance wieder bedeutender wurde.
Für den Österreichischen Pavillon will Holzinger sich unter dem vorläufigen Titel „Seaworld Venice“ der Ressource und den diversen Schnittmengen des menschlichen Daseins mit dem Element Wasser widmen. Geplant sind außerdem speziell konzipierte Performances im Stadtraum in Venedig geplant, in die dann auch das Publikum einbezogen werden soll.
Ausschlaggebend für die Jury war eben dieser interdisziplinäre Ansatz der Verbindung von Elementen aus Tanz, Theater und Performancekunst kombiniert mit der Einbeziehung des Publikums ausschlaggebend für die Nominierung Holzingers. Man wird sehen, ob der Pavillon dann erst ab 18 Jahren zu besuchen sein wird, so wie die Inszenierung „Sancta“ im Sommer 2024 im Rahmen der Wiener Festwochen im Museumsquartier.
"Die Künstlerin schafft damit einen variablen ästhetischen Erfahrungsraum, der den Ausstellungskontext mit dramaturgischen Elementen des Theaters anreichert und wirkmächtige Bilder generiert. Mit ihrer mitunter provokanten und gesellschaftskritischen Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper reiht sich Florentina Holzinger außerdem in eine österreichische kunsthistorische Linie (Wiener Aktionismus, feministische Body-Art) ein.", so die Jury
Wir werden sehen, wie weit Florentina Holzinger ihre radikalen Prinzipien in die Situation einer mehre Monate dauernden Ausstellung transformieren kann. Holzingers Konzept ist jedenfalls weit entfernt von der auch für die Venedig-Biennale üblichen Verwertungslogik des Kunstmarkts und damit ein erfrischender Ansatz für die internationale Kunstschau.
Im Rahmen der Pressekonferenz sicherte der zuständige Bundesminister Werner Kogler angesichts der aktuellen politischen Situation in Österreich übrigens zu, schnell entsprechende rechtsverbindliche Verträge für den Beitrag im Pavillon zu unterzeichnen, damit dieser von einer neuen Bundesregierung nicht abgesagt werden kann.
⤇ Österreich auf der Venedig-Biennale
Über Florentina Holzinger (aus der Presseinformation)
Florentina Holzinger studierte Choreografie an der School for New Dance Development (SNDO) in Amsterdam. Ihr Diplom-Solo Silk wurde 2012 beim lmPulsTanz Festival mit dem Prix Jardin d'Europe ausgezeichnet. Mit Vincent Riebeek entwickelte sie die Trilogie Kein Applaus für Scheiße, Spirit und Wellness (2011–2015). Ihr Solostück Recovery (2015) setzte sich kritisch mit einer traumatischen Bühnenerfahrung und der Repräsentation weiblicher Körperlichkeit auseinander.
In ihren späteren Arbeiten seziert Holzinger die Narrative des klassischen Balletts. Mit Apollon (2017), einer Neuinterpretation von Balanchines Apollon Musagète, und TANZ (2019), basierend auf La Sylphide, reflektiert sie Tradition und Geschlechterbilder. TANZ wurde beim Theatertreffen gezeigt und mit dem NESTROY-Preis für die beste Regie ausgezeichnet. 2020 folgte Etude for an Emergency, eine Stunt-Oper mit Opernsängerinnen und Stunt-Performerinnen.
2021 entstand für die Ruhrtriennale A Divine Comedy, das mit dem FAUST-Preis ausgezeichnet wurde. Mit Ophelia’s Got Talent (2022), entwickelt an der Volksbühne Berlin, gewann Holzinger weitere Preise, darunter den FAUST-Theater Preis für die beste Tanzperformance. 2024 debütierte sie mit ihrem ersten Opernprojekt SANCTA, einer Koproduktion u. a. mit der Staatsoper Stuttgart und den Wiener Festwochen.
Im selben Jahr übernahm Holzinger mit MOND (Regie: Kurdwin Ayub) ihre erste Hauptrolle im Kino; der Film gewann den Spezialpreis der Jury beim Locarno Film Festival. Holzingers Arbeiten verbinden Wiener Aktionismus, Körperkunst, Ballett, Kabarett und Zirkus. Sie dekonstruiert spielerisch Weiblichkeitsbilder und überschreitet körperliche und sexuelle Grenzen.
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