Mika Rottenberg. Antimatter Factory: Antimaterie und Heuschnupfen
Stellen Sie sich vor, Sie könnten sich ihr Essen einfach niesen statt es zu kaufen. In dem Film NoNoseKnows aus dem Jahr 2015 schnuppert eine Frau an einem Blumenstrauß wodurch ihre Nase sich grotesk vergrößert, bis sie schlussendlich heftig niesen muss und dabei einen vollen Teller mit Nudeln und weitere Gerichte produziert die sich rundherum auftürmen. Willkommen in der Welt von Mika Rottenbergs Filmen, die aktuell in ihrer Ausstellung „Anitmatter Factory“ im KunstHausWien zu sehen sind.
Absurd? Lustig? Ja sicher, doch Mika Rottenberg bleibt nicht auf der Ebene der reinen Belustigung, denn der kleine Ventilator, der der essensniesenden Protagonistin die Blütenpollen zufächelt wird mittels einer Kurbel angetrieben von einer jungen Frau die einen Raum tiefer an einem langen Holztisch sitzt. Rund um sie sind weitere Frauen gerade dabei in Austern kleine Fremdkörper zu platzieren, damit diese dann darum herum eine Perle produzieren. Die (westliche) Überflussgesellschaft basiert eben auf der Ausbeutung von jenen, die in der gesellschaftlichen Hierarchie weiter unten stehen. In „Cosmic Generator“ (2017) lässt Rottenberg Männer durch ein Tunnelsystem kriechen, das unterschiedliche Orte des globalen Handels auf magische Weise verbindet. Asiatische Fabriken die massenweise Exportartikel produzieren liegen so direkt neben der mexikanischen Stadt Mexicali an der Grenze der USA, die wiederum durch die Tunnel mit der auf der anderen Seite des Grenzzaun liegenden Stadt Calexico verbunden ist. Globale Waren- und Datenströme verschwimmen bei Mika Rottenberg zu einem Kaleidoskop von Abhängigkeiten und Machtstrukturen. Dazwischen zeigt sie Menschen, die in diesem Maelstrom versuchen, ihr Auskommen zu finden.
Ein weiterer Teil der Retrospektive zeigt Mika Rottenbergs kinetische Skulpturen aus den Jahren 2020 bis 2022, bestückt mit Pflanzen und Körperteilen die sich heben, wieder senken, drehen oder einfach still vor sich hin wachsen dürfen. Ein ebenfalls so end- wie sinnloser Kreislauf, angetrieben durch Motoren oder der Muskelkraft von Besucher:innen die damit gleich in einen Prozess eingespannt werden der letztendlich nichts produziert, egal wieviel Kraft man hineinsteckt – außer vielleicht der puren Freude am Betrachten der durchaus witzigen Kombinationen unterschiedlichster Objekte in Bewegung.
Ein dritter Ausstellungsbereich zeigt schließlich die jüngsten Kreationen der in Buenos Aires geborenen, in Israel aufgewachsenen und heute in den USA lebenden Künstlerin. In ihren „Lampshares“ kombiniert Rottenberg aus Plastikabfällen gefertigte Elemente mit dem Holz von Schlingpflanzen. Das Plastik sammelt für sie eine kleine Umweltorganisation auf diversen Müllplätzen, das Holz findet sie in den Wäldern rund um ihr Atelier im Staat New York. Die polierten Äste verbindet Mika Rottenberg mit Steckverbindungen, gefertigt aus dem Plastikabfall und setzt kleine, pilzförmige Lampenschirme darauf, die verkabelt sind und durch kleine Lichtquellen erleuchtet werden. Die teils raumgreifenden Objekte verknüpfen künstlerische Konzeption mit Design, Umweltschutz und Upcycling. Ein Video zeigt die vielfältigen Möglichkeiten, mit den vorgefertigten Elementen der eigenen Kreativität Ausdruck zu verleihen.
Mika Rottenberg schafft es in ihren Arbeiten, den Witz und die Absurdität als Trägermaterial für eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz in der durchkapitalisierten Gesellschaft einzusetzen.
Mehr Texte von Werner Remm 27.02. - 10.08.2025
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