Werbung
,

Sébastien de Ganay - Never Give Up: Dokumente der Unterdrückung

Der französisch-österreichische oder vielmehr weltläufige Künstler Sébastien de Ganay widmet sich in der Silvia Steinek Galerie einem traurigen, aber universellen Thema. Seine Ausstellung thematisiert Unterdrückung, Widerstand, Folter und Tod. Und es geht um die Frage was wir in der demokratischen Welt für die Durchsetzung von Grundfreiheiten tun können.  

Was es heißt, die körperliche Integrität eines Menschen zu verletzen, hat sehr eindrücklich der Widerstandskämpfer und Holocaust-Überlebende Jean Améry 1966 in seinem Essay „Tortur“ beschrieben. Die Haut als äußerste Schutzhülle unseres Körpers wird touchiert - von einem Kratzer bis zur Wunde. Die Hülle wurde beschädigt und nichts ist mehr wie vorher. Jean Améry, der eigentlich nur bedingt als Holocaustüberlebender gelten kann, nahm er sich doch am 17. Oktober 1978 als späte Folge von KZ- Inhaftierung und brutaler Folter in Salzburg das Leben, hat den Prozess der Enteignung des eigenen Körpers erschütternd beschrieben. Damit verlieh er den Gefolterten dieser Erde eine universelle Stimme.

Sébastien de Ganay und auch Silvia Steinek versuchen ähnliches. Betritt man den ersten Raum der Galerie so ist man mit den Raum fast sprengenden rosa lackierten Wachtürmen oder Hochständen konfrontiert. Der erste dieser Türme steht von Kugeln durchsiebt. Der zweite liegt hingestreckt am Boden, so als hätte die Revolution schon stattgefunden. Diese Türme des Ausspähens der Gefangenen sind in allen Lagern der Welt zu finden. Sie sind zum Symbol der Unfreiheit und des Verlusts der Privatsphäre geworden. Die rosa Farbe, die de Ganay hier einsetzt, betont den absurden Charakter des Wachturms, so als könnte man Menschen tatsächlich nachhaltig kontrollieren.

Sébastien de Ganay beschäftigte sich als bildender Künstler immer wieder mit Materialien und Formen an der Schnittstelle zwischen Skulptur und Bild. Dabei setzt er Farbe gezielt ein, um Irritationen zu erzielen und Gedankensprünge zu ermöglichen. Bekannt wurde er mit aus Aluminium gefertigten Objekten, die oftmals einen Knick in der Oberfläche hatten, bzw. eine Falte. Diese „gefalteten Arbeiten“, oft mit Farbe akzentuiert, waren unter anderem bei bei Nikolaus Ruzicska in Salzburg (2022) bei Silvia Steinek 2019 und davor bei Häusler Contemporary in Zürich, um hier nur einige Ausstellungen zu nennen.

Im zweiten, intimeren Raum der Galerie Steinek hat Sébastien de Ganay sein Projekt „Cage Book“ von 2024 aufgebaut. Da sind Aktenordner zu sehen, in denen Blätter abgeheftet sind, worauf in Maschinschreibschrift die Namen der politischen Gefangenen eines Landes soweit sie recherchierbar waren, alphabetisch aufgelistet sind. Die Ordner umfassen zwischen 200 und 1000 Namen. Gelegentlich finden sich auch biografische Splitter zu den Namen. Daraus entstanden dicke Ordner, deren Kartonschachteln mit Druckbuchstaben die Namen des jeweiligen Landes tragen. De Ganay recherchierte zu China, Tibet, Burma, Aserbaidschan, Iran, Russland und Weißrussland. Um den Schrecken haptisch erfahrbar zu machen kann man ein Eisengitter über die Kartonage legen, sodass die dicken Bände zusammengehalten werden. Diese Eisengitterstäbe verwendet de Ganay auch bei weiteren ebenfalls dieses Jahr entstandenen Bildobjekten. Da ist hinter den Gittern Zement auf Leinwand aufgetragen und ergibt so eine verwaschene, sandige sehr malerische Textur. „Living behind grids“, trifft auf die Mehrheit der Menschen zu, derer der Besucher dieser Räume gedenkt.

Diese „Cage Books“ stehen zum Verkauf, wobei der Erlös zu einem Drittel an eine NGO geht, die in den jeweiligen Ländern politische Gefangene unterstützt, das zweite Drittel erhält die Galerie und das letzte Drittel geht an das Atelier des Künstlers.

Sébastien de Ganay hat mit diesem Projekt und dieser Ausstellung einer großen unterdrückten, stillen Gruppe von Menschen eine Stimme gegeben. In Anlehnung an die Worte Alexander Nawalnys richtet diese Ausstellung mit dem Titel „never give up“ einen flammenden Appell an die weltweit Inhaftierten, nicht aufzugeben. Und an uns, die wir in Frieden und relativem Wohlstand leben, appelliert er für Freiheit und Demokratie vehement und entschieden einzutreten.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Sébastien de Ganay - Never Give Up
15.11 - 19.12.2024

silvia steinek galerie
1010 Wien, Eschenbachgasse 4
Tel: +431/512 87 59, Fax: +431/512 87 59
Email: galerie@steinek.at
http://www.galerie.steinek.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 13-18h
Sa: 11-15h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: