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Der Teufel und der Haufen

Heute soll es darum gehen, dass der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt. Diese Erkenntnis läßt sich vielfältig belegen, zum Beispiel dadurch, dass die Österreicher schon wieder gegen die Deutschen verloren haben, diesmal im Eishockey. Oder sie läßt sich dahingehend untermauern, dass man nicht zu Unrecht sagt, die erste Million ist die schwerste. Doch soll es diesmal um eine andere Sorte Kapital gehen. Es soll gehen um das symbolische Kapital. Diese Woche haben sie im Wien Museum die "Wiener Linien"-Ausstellung eröffnet, und abgesehen davon, dass es eine schöne Präsentation ist, und sogar davon abgesehen, dass es abermals um den "Spatial Turn" geht, zeigt speziell der Katalog, wie das ist mit dem größten Haufen. Das Stück umfassender Menge, das so magisch dazu verlockt, noch eins draufzusetzen, ist in diesem Fall der Citation Index, das Verzeichnis zitierter Namen und Stellen also, und es frappiert doch immer wieder zu sehen, wie es immer wieder dieselben sind, von denen die Anziehungskraft der Anleihen ausgeht. Im "Wiener Linien"-Katalog ist es Michel de Certeau mit seinem 1988 auf deutsch als "Kunst des Handelns" erschienenen Buch, der plötzlich offenbar überaus en vogue geraten ist. Nicht weniger als drei Aufsätze des durchaus nicht theorielastigen Begleitkompendiums führen das Werk an. Es ist immer die selbe Stelle, die man bemüht, aufzufinden so um Seite 180 des Merve-Bändchens. Dass de Certeau Jesuit war und in den Sechzigern eine Publikation herausgegeben hat, die auf den einprägsamen Titel "Christus" hörte, wird dafür wohl weniger verantwortlich sein. Womöglich liegt es eher daran, dass besagte Stelle exakt jener entspricht, in der der Reader "The Cultural Studies", herausgegeben von Simon During, publiziert von Routledge/London und New York, Monsieur de Certeau die Ehre gibt. Unter diesem Label und unter diesem Verlag wird das Zitat geradezu ein Must. Doch ist das alles nur ein Beispiel. Wenn die Kollegin Nina Schedlmayer im "artmagazine" auf die "Interpassivität" zu sprechen kommt, die Erfindung dieses wunderbaren Begriffs keinem geringeren als Slavoj Zizek zugesteht und Robert Pfaller, dem er tatsächlich zu verdanken ist, nicht erwähnt, dann ist das auch nur ein Beispiel. Und wenn gewisse andere Kollegen über die Giorgione-Ausstellung schreiben und in ihren Rezensionen ausgerechnet auf einen Artikel im Katalog verweisen, der von mir stammt, auch wenn die Interpretation von Jürgen Rapp vielleicht einfach besser ist, auch dann ist das nur ein Beispiel. Der liebe Gott mag ja im Detail stecken. Doch der Teufel, er hat es aufs Ganze abgesehen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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