
H13 Niederösterreich Preis für Performance 2024 geht an Katharina Ernst
Zum 18. Mal vergibt der Kunstraum Niederoesterreich in diesem Jahr den mit 5.000 Euro dotierten H13 Niederösterreich Preis für Performance – den österreichweit einzigen Preis für Performance als Medium der bildenden Kunst.
Musik als Taktgeberin des Sozialen? Die diesjährige Gewinnerin des H13 Niederösterreich Preis für Performance, die Künstlerin und Musikerin Katharina Ernst, untersucht in ihrem Performance-Projekt metrics die politischen Potenziale der Polyrhythmik.
Ernst wird ihre Arbeit am Fr, 22.11.2024, um 19 Uhr im Rahmen der feierlichen H13- Preisverleihung im Kunstraum Niederoesterreich präsentieren. Neben der Performance umfasst metrics auch eine Ausstellung, die von Sa, 23.11. bis Sa, 07.12.2024 im Kunstraum zu sehen sein wird.
Statement der Jury:
„In ihrem post-minimalistischen Performancekonzepts metrics eröffnet Katharina Ernst mittels klarer Gesten und Formsprache eine außerordentliche Komplexität: Ausgangspunkt ihres Projekts ist ein Perkussionsinstrument, mit welchem sie Formen der Polyrhythmik und des akustischen Chaos ergründet. Diese musikalischen Strukturen übersetzt Ernst in eine Choreografie mit weiteren Performer*innen und in ein – einer Partitur entlehntes – Raumkonzept. Entlang von Übersetzungsprozessen wie diesen, zwischen Disziplinen wie Musik, Choreografie und Architektur, geht die Künstlerin der Frage nach, inwiefern eine abstrakte Komposition Spiegel oder gar Modell für gesellschaftliches Miteinander sein könnte. Damit unterstreicht metrics nicht nur die Bedeutung des Zuhörens in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung, sondern leistet auch einen wesentlichen Beitrag zum Diskurs rundum die Bedeutung von Live Arts im Ausstellungskontext.“
Zum Projekt von Katharina Ernst
Unterschiedliche Menschen urteilen anhand unterschiedlicher Wertmaßstäbe. Dass es diese Differenzen gibt – und geben darf –, ist eine Grundbedingung von Demokratie. Gleichzeitig steckt im demokratischen Prinzip der Vielfalt aber auch eine Gefahr: die Möglichkeit, dass Positionen an Einfluss gewinnen, die Vielfalt ablehnen, die ein verbindliches Maß für alle wollen. Ein Dilemma, das man nicht auflösen, nur klug – und „maßvoll“ – moderieren kann. Wie aber bemisst man, was in einer Demokratie zulässig ist und was nicht? Gibt es ein Maß für die Organisation von Vielfalt?
Fragen wie diese bilden den Subtext des diesjährigen H13-Gewinner*innen-Projekts der Künstlerin und Musikerin Katharina Ernst. metrics lautet der programmatische Titel der Arbeit. Im Zentrum: die „metrischen“ Qualitäten von Rhythmus und Tanz – zwei künstlerische „Messverfahren“, auf die sich Ernst als Schlagzeugerin bestens versteht.
Drei mit sogenannten Shakern (Gefäßrasseln) ausgestattete Performer*innen versammelt die Künstlerin in metrics. Einer komplexen polyrhythmischen Partitur folgend produzieren sie gemeinsam ein immersiv-perkussives Soundscape. Dabei ändern sie mehrfach ihren Standort, streben mal auseinander, mal zusammen, jede*r einem anderen Tempo und Muster folgend, sodass sich das akustische Zentrum der Komposition permanent verschiebt.
Visuell ist metrics an Ästhetiken der Minimal Art orientiert. Die Wände des Kunstraums sind mit geometrischen Flächen in unterschiedlichen Schwarz-Abstufungen versehen. Auf den ersten Blick mutet die Anordnung chaotisch und willkürlich an, blickt man jedoch aus einem bestimmten Winkel auf das Arrangement, beginnen sich die Flächen zu einem streng durchkomponierten visuellen Ganzen zu fügen. Ein Trompe-l'œil-Effekt entsteht – bis man den Blickwinkel wieder ändert und die Strukturen erneut in ihre Einzelteile zerfallen. Analog zum Sound erfährt so auch unsere Raumwahrnehmung eine „Polyrhythmisierung“. Peu à peu verdichten sich die einzelnen Elemente in metrics zu einem vibrierenden musikalisch-visuellen Gesamtkunstwerk, in dem verschiedene Raum- und Zeitmaße gleichzeitig wirksam werden. Für Ernst steckt in dieser Erfahrung auch ein politisches Moment. Im Statement der H13-Jury heißt es über ihr Projekt: „Entlang von Übersetzungsprozessen zwischen Musik, Choreografie und Architektur geht die Künstlerin der Frage nach, inwiefern eine abstrakte Komposition Spiegel oder gar Modell für gesellschaftliches Miteinander sein könnte.“ Musik als Maß- und Taktgeberin des Sozialen? In metrics macht Ernst die Probe aufs Exempel. Das musikalische Prinzip der Polyrhythmik wird hier zur Metapher für eine demokratische Gesellschaft der Vielen, in der alle ohne Angst ihrem eigenen Taktmaß folgen können.
Ernst wird ihr Performance-Projekt metrics am Fr, 22.11.2024, um 19 Uhr im Rahmen der feierlichen H13-Preisverleihung im Kunstraum Niederoesterreich präsentieren. Neben der Performance umfasst das Projekt auch eine Ausstellung, die von Sa, 23.11. bis Sa, 07.12.2024 im Kunstraum zu sehen sein wird. Komplettiert wird das H13-Programm 2024 durch ein zweitägiges Symposium mit Performance-Expert*innen aus dem In- und Ausland: Performance Besides Itself. Infra- and Parastructures of a Contemporary Liveness, am Fr, 06.12. und Sa, 07.12.2024. Informationen zu den Teilnehmer*innen und dem Programm finden Sie auf unserer Website.
Wie im letzten Jahr soll der H13-Preis auch heuer wieder Möglichkeiten der internationalen Vernetzung und des künstlerischen Wissenstransfers über Österreich hinaus bieten. Als Kooperationspartner ist in diesem Jahr das renommierte Mudam Luxembourg – Musée d’Art moderne Grand-Duc Jean mit dabei. Zusätzlich zum Preisgeld erwartet Ernst ein individuelles kuratorisches Tutoring mit Clémentine Proby (Assistenzkuratorin, Mudam).