Forms of the Shadow: Licht und Schatten
Die Spannung von Licht und Schatten dient der sehenswerten Ausstellung „Forms of the Shadow“ als Bild für die „Schattenseiten“ politischer Zustände und für deren mögliches Umschlagen in „bessere Zeiten“ - und umgekehrt.
Konkreter Ausgangspunkt für das kuratorische Konzept der narrativ intensiv verwobenen Ausstellung „Forms of the Shadow“ ist der seit 1948 andauernde, mal mehr mal weniger militante Krisenmodus zwischen Nord- und Südkorea. Genauer: Die im Kontext dieses Konfliktes 1953 eingerichtete „demilitarisierte Zone“ (DMZ), die als Pufferzone geographisch zwischen beiden Parteien verläuft. Gleichzeitig wird dieser Konflikt in der Ausstellung gleichsam als Modell für die (ideologischen) Spannungen des „Kalten Krieges“ und seiner politischen Auswirkungen bis heute behandelt.
So setzt sich zum Beispiel die turmartige Skulptur „Aubade V“, 2019, der koreanischen Künstlerin Lee Bul aus Stahl zusammen, aus dem einst Wachtürme in der immer wieder abgeriegelten DMZ gebaut wurden. Diese Türme wurden 2018 in einer Phase der Annäherung von Nord- und Südkorea abgebaut. Eben darum erinnert die Konstruktion von „Aubade V“ weniger an ihren militärischen Zweck – quasi den Schatten der Geschichte – als an sozialistisch-emanzipativ verstandene Architekturen, wie etwa an Wladimir Tatlins konstruktivistischen Turm „Monument für die Dritte Internationale“, 1920.
Gegenüber dann hängen vier Fotos von Tomoko Yoneda, die besagte Dialektik von Licht und Schatten in einer anderen Form ins künstlerische Spiel bringen und zugleich den geopolitischen Fokus der Ausstellung weiten: Vier Landschaften sind da abgelichtet, die historisch „vorbelastet“ sind, heute aber eher unschuldig, ja heiter daherkommen. So ist da der Küstenstreifen in der Normandie zu sehen, an dem alliierte Truppen am sogenannten „D-Day“ landeten und erfolgreich eine Westfront gegen Nazi-Deutschland eröffneten. Heute aber, und genau dieses zeigt dann Yonedas Foto, ist diese Küste ein beliebter Urlaubsort.
Das geopolitische Spektrum endgültig öffnend, steht im Zentrum des Hauptraumes des Secession Adrián Villar Rojas‘ Installation „The End of Imagination III“, 2024, mit ihrer forensischen Rekonstruktion des Landeplatzes von Apollo 11. Auf dieser kruden Oberfläche stehen und liegen dann unter anderem ein verrotteter NASA-Mondroboter, eine Nachbildung einer sowjetischen Luna-Sonde und verschiedene Sturmgewehre. Dieses dystopische Setting verrät den Wettlauf zum Mond, ein damals prestigeträchtiges Unterfangen während des Kalten Krieges, als ein Unternehmen, das den uralten Traum der „Reise zum Mond“ (Georges Méliès) als politisches Instrument missbraucht, bei dem es keinen im Rampenlicht stehenden Sieger geben kann.
Klugerweise kommen in „Forms of the Shadow“ immer wieder auch ökologische Fragestellungen zu Wort – und damit abschließend zurück zur DMZ: Gerade weil die DMZ menschenentleert ist, sprießt Fauna und Flora dort in ungewohnt ungebremster Weise. In dem Video „Rhapsody“, 2024, der künstlerischen Forschungsgruppe ikkibawiKrr wird genau diese, wenn man so will negative Dialektik in behutsam gefilmten Bildern vorgestellt. Ketzerische Frage: Lässt sich angesichts der ungebremst fortschreitenden Klimakatastrophe heute aus dieser Entwicklung in der DMZ schließen, dass der Mensch auf der Erde nur noch dann eine Zukunft hat, wenn er von ihr verschwindet?
Eine überaus politische Ausstellung also hat Sunjung Kim, die Leiterin des Art Sonje Center in Seoul, mit „Forms of Shadow“ kuratiert. Damit stellt sich die Secession angesichts des erneuten Rechtsrucks in Österreich wieder einmal verantwortungsvoll seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung. Vorbildlich!
20.09 - 17.11.2024
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