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Start Sniffing: Das Tier in dir

Sonntag Nachmittag im Park - es ist eine kleine Idylle, die uns Hartmut Kiewert in seinem großformatigen Gemälde präsentiert. Kinder spielen im Baumhaus, Erwachsene plaudern entspannt auf der Picknickdecke, Lampions und Luftballons bewegen sich in der leichten Brise. Etwas verstörend wirken nur die Tiere - Schweine, Hühner, eine Kuh die uns als Betrachter:innen selbstbewusst aus dem Bild anschaut. Wir befinden uns nicht in ländlicher Idylle auf einem Bauernhof sondern im städtischen Raum, um Nutztiere scheint es sich also nicht zu handeln. Kiebert ist es in seinen Arbeiten wichtig, den anthropozentrischen Blick aufzubrechen und nicht-menschlichen Tieren auf Augenhöhe zu begegnen.

Genau so sieht es Kuratorin Lena Lieselotte Schuster, die ihre Hunde in die eigene Kunstpraxis integriert bzw. ihnen eine eigene künstlerische Agenda zugesteht. Für die Ausstellung „Start Sniffing“ hat sie in der Kunsthalle Exnergasse Arbeiten von Künstler:innen zusammengestellt, die entweder direkt mit anderen Spezies interagieren, bzw. diese in ihre Arbeiten einbeziehen. Da ist etwa das Kollektiv CMUK, bestehend aus den Graupapageien Clara und Karl und den Künstler:innen Ute Hörner und Mathias Antlfinger, die das gemeinsame Ritual der Wochenendlektüre der Wochenzeitung Die Zeit präsentieren. Benjamin Egger hat einen etwas überdimensionierten Katzenbaum in die Ausstellung gestellt, der nicht nur als Requisit für Performances dient, sondern auch von menschlichen Ausstellungsbesucher:innen gerne spielerisch erforscht wird. Überhaupt sollen in Start Sniffing das Menschliche und das Tierische als gleichwertig betrachtet werden, eine Forderung, die speziell in der Auseinandersetzung mit der Klimakrise für die Natur in ihrer Gesamtheit gilt und immer mehr an Bedeutung gewinnt.

In der Ausstellung geht es aber weniger um die Anerkennung einer Rechtspersönlichkeit für nicht-menschliche Tiere, wie es im Tierrechtsaktivismus der Fall ist, sondern um das Zugestehen von Freiheiten über die menschlich-künstlerische Kreativität hinaus. Wenn es nach der kroatischen Künstlerin Ivana Filip geht, dann liegt die Zukunft in „Catopia“, in dem alle Spezies ihre eigenen Regeln leben können. Das Ausleben der jeweils spezifischen Vorlieben und Verhaltensweisen liegt auch der olfaktorischen Landschaft von Lisa Korpos zugrunde, die sich durch den gesamten Ausstellungsraum zieht. Speziell Hunde sind eingeladen, die mit unterschiedlichen Materialien gefüllten Skulpturen zu untersuchen.

Angesichts der drängenden und existenzbedrohenden Probleme, die sich die Gattung Mensch mit ihrer anthropozentrierten Lebensweise speziell in den letzten Jahrzehnten eingehandelt hat, mag die spielerisch-künstlerische Herangehensweise an die Thematik des gedeihlichen Zusammenlebens in Start Sniffing übertrieben wirken und man denkt unweigerlich an die documenta 13 und das Unverständnis, das Carolyn Christov-Bakargiev für ihre Forderung nach der „wahren Demokratie“ erntete, in der wirklich alles Lebende gleichberechtigt wahrgenommen wird. Doch die kontinuierliche Erweiterung des Kunstbegriffs hat der Kunst und ihrer Rezeption noch nie geschadet und der menschlich-tierischen Fantasie schon gar nicht.

Mehr Texte von Werner Remm

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Start Sniffing
26.09 - 31.10.2024

KEX Kunsthalle Exnergasse
1090 Wien, Währinger Straße 59, 2. Stiege, erster Stock
Tel: +43 (0)1 401 21-41 oder +43 (0)1 401 21-42, Fax: +43 (0)1 401 21-67
Email: kunsthalle.exnergasse@wuk.at
https://www.wuk.at/kunsthalle-exnergasse/
Öffnungszeiten: Dienstag - Freitag 13:00 - 18:00,
Samstag 11:00 - 14:00 Uhr


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