Werbung
,

Betten und Bilder billiger

Die gute und die schlechte Nachricht aus Basel: Es gibt noch Hotelzimmer. Zugegeben, die 300 Franken pro Nacht, ab denen einige unterklassige Hotels ihre Betten anbieten, sind immer noch das Dreifache des Normalpreises, aber besser als die Bahnunterführung. Auch fühlte sich die Eröffnung der Art Basel am Dienstag deutlich weniger gedrängt an als etwa im leicht überdrehten ersten Nach-Covid-Jahr 2022. Doch wer dachte, die Galerien würden in Krisenerwartung kleinere Brötchen backen und auf Nummer Sicher gehen, wird positiv überrascht: Ja, Malerei ist wieder einmal Trumpf, das allerdings gerne im großen Format. Es macht tatsächlich Spaß, durch die Gänge zu flanieren und in die meist großzügig gehängten Stände zu blicken.

Eine gewisse "Jetzt erst recht"-Mentalität scheint die Austeller ergriffen zu haben. Zwar waren die Mienen der Galerist:innen zu Beginn deutlich angespannt doch legte sich das vielerorts im Laufe des Tages. Unter den Gästen waren weniger Besucher:innen aus den USA auszumachen, dafür erstaunlicherweise mehr aus Asien als in den Vorjahren.

Stellevertretend für das Angebot auf der Messe kann der Stand von Nagel Draxler (Berlin, Köln) stehen, die mit Sayre Gomez eine gut verkäufliche Position anbieten (215.000 USD an eine US-amerikanische Sammlung), andererseits einer nicht minder großen (3x3 m) Arbeit von Lutz Braun für lediglich 25.000 Euro die ganze Schmalwand einräumen. Diese Mischung aus etabliert und jung oder zumindest relativ preiswert zieht sich durch beide Hallen

Etwas überraschend ist die Münchener Galerie Thomas nicht angetreten. Neu ist hingegen Mayoral aus Barcelona mit ihrem Programm spanischer Klassiker. Ein ungewohnter Anblick bietet sich hier mit einem kleinformatigem Gemälde von Joan Miro aus dem Jahr 1960, das zwar alle typischen Elemente vereint, aber auf ungrundiertem grobem Sackleinen gemalt ist (1,7 Mio. Euro). Jordi Mayoral erklärt, dass sie wegen der guten Präsenz des Künstlers bei mehreren, ungleich größeren, Händlern lieber auf das Außergewöhnliche setzten.

Die Art Unlimited macht in ihrer aktuellen Ausgabe ebenfalls einen attraktiveren Eindruck als in den letzten Jahren. Das krisenhafte Weltgeschehen scheint den angenehmen Nebeneffekt zu haben, dass das bisweilen Zirkushafte einer neuen Ernsthaftigkeit gewichen ist. Zwar gibt es immer noch Exponate, die vor Augen führen, dass dreimal so groß auch in seiner x-ten Variation nicht zwingend dreimal so gut ist, wie die kinetische Glitzerinstallation von Julio le Parc (Galleria Continua, u.a. San Gimignano) oder das Feld aus 50 Stahlplatten von Carl Andre (Konrad Fischer, Düsseldorf/Berlin). Doch wo bietet sich schon die Möglichkeit, ein über 40 Meter breites Werk von Keith Haring (Gladstone Gallery, New York) zu sehen? Ihre Stärke spielt die Unlimited dort aus, wo herkömmliche Messeformate passen müssen und Museen noch nicht zugegriffen haben. Eine der Entdeckungen dieses Jahres ist die Installation "The Wake and Resurrection of the Bicentennial Negro" von Faith Ringgold (Goodman Gallery, mit schwarzen Puppen um ein auf dem Boden aufgebahrtes Paar). Die Arbeit ist um Längen stärker als sein eher unterkomplexes zeitgenössisches Gegenstück von Henry Taylor (Untitled, 2022, Hauser & Wirth), das den Black Panthers huldigt.

Der Rest der Messen in Basel ist schnell erzählt: Die Liste hat mit Nikola Dietrich eine neue Direktorin. Sie war zuletzt am Kunstverein in Köln, zuvor Kuratorin in Basel am Museum und im Frankfurter Portikus; sie kennt die Akteure und die Diskurse also sehr genau. Sie wird aus der schwächelnden Veranstaltung, die sich früher einmal "The young art fair" nannte, wieder genau das machen müssen. Was keine leichte Aufgabe ist

Der Basel Social Club wird ihr in der jetzigen Verfassung keine Steine in den Weg legen. Die ambitionierte Initiative hatte letztes Jahr in einer ehemaligen Mayonnaisefabrik noch den Eindruck gemacht, sie könnte dem ältesten Satelliten der Art Basel den Rang ablaufen, doch das aktuelle Projekt mit Kunst auf den Wiesen und Weiden zwischen zwei Bauernhöfen am Stadtrand leidet nicht nur an an seiner abseitigen Lage, sondern vor allem an Organisationsmängeln.

Die kleine photo basel ist ein sich mühsam nährendes Eichhörnchen. Immerhin hat sie mit Anita Beckers als Neuausstellerin einen weiteren prominenten Vertreter der Zunft hinzugewinnen können. Die Frankfurterin mit Künstlern wie Annegret Soltau, Susa Templin und Anton Corbijn hat prompt zwei Museumsverkäufe und eine Ausstellungsbeteiligung festmachen können.

Es bleibt vor allem die Hauptmesse als Hoffnungsschimmer. Ob die jetzt auch offiziell so heißende Art Basel Paris den Schweizern tatsächlich irgendwann die Krone streitig macht, ist noch lange nicht ausgemacht. Es bietet sich an, die Art Basel in Basel wieder europäischer zu positionieren und Paris als Gegengewicht zu London im interkontinentalen Kontext. Dann würde in Basel vielleicht auch wieder mehr über Kunst geredet als über Geld.

--
Die Websites der Messen:
⤇ artbasel.com
⤇ liste.ch
⤇ Baselsocialclub.com
⤇ photo-basel.com
⤇ www.voltaartfairs.com
⤇ june-art-fair.com
⤇ Design Miami

Mehr Texte von Stefan Kobel

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: