Ursula Biemann - Becoming Earth: Eine Universität im Dschungel
Dass die Regenwälder der Erde eine zentrale Rolle für die Erhaltung der Biodiversität spielen, ist hinlänglich bekannt. Pharmakonzerne forschen dort längst nach Heilpflanzen, westliche Universitäten ergründen die komplexen Zusammenhänge zwischen Vegetation und Klima. Meist geschieht dies aber in der westlich geprägten, kapitalistischen Denkweise ohne das Wissen der indigenen Bevölkerung miteinzubeziehen. Seit dem Jahr 2017 gibt es erstmals eine Universität, gegründet gemeinsam mit Vertreter:innen des Inga-Volks in Kolumbien, in der indigenes Wissen und westlicher Forschungsansatz zusammenfließen und so zur „Ëconeêrã", einer planetarische Pluriversität zur Heilung der Erde werden sollen.
Maßgeblichen Anteil an der Gründung hatte die Schweizer Künstlerin und Forscherin Ursula Biemann. Seit vielen Jahren arbeitet Biemann vornehmlich an Videos in denen sie die Zusammenhänge komplexer ökologischer Systeme analysiert und vereint so „…verschiedene Wissensstränge über die Intelligenz der Natur und die Beziehungen zwischen allen Lebewesen, die diese Räume bewohnen“. In iher Arbeit „Forest Law“ stellt sie zentrale Beispiele von indigenen Völkern in Ecuador vor, die das Recht der Natur auf unversehrten Weiterbestand eingeklagt hatten, was schließlich zur Verankerung der Naturrechte in der Verfassung führte. In „Acoustic Ocean“ lässt sie eine Wissenschaftlerin der Sami die akustische Ökologie des Meeres erforschen. Besonders die Vermittlung des achtsamen und wertschätzenden Umgangs der indigenen Bevölkerung mit der umgebenden Natur ist Biemann dabei ein zentrales Anliegen. Ihre künstlerische Sprache greift Erzählstrukturen der Science Fiction genauso auf wie jene des klassischen Dokumentarfilms, wobei die Charaktere durchaus fiktiv sein können.
In der Installation im Freiraum des Museumsquartiers verwebt Ursula Biemann die unterschiedlichen Projektionen zu einem dichten Ton- und Bildteppich der für sich schon die Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Themenkomplexe vermittelt. Sich überschneidende Blickachsen und überlagernde Tonsequenzen führen ein in eine vernetzte und die Vielfalt propagierende Denkweise, die verschiedenartige Wissensstrukturen zu einem holistischen Weltbild zusammenführen, in dem der Mensch sich als Teil und nicht mehr als alles ausbeutende „Krone“ der Schöpfung begreift. Eine Weltsicht, die angesichts aktueller politischer Entscheidungen bedeutender ist denn je.

27.09.2024 - 23.02.2025
MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h