
Ana Lupas. Intimate Space – Open Gaze: Widerständig
Das Stedelijk Museum Amsterdam[1] und das Kunstmuseum Liechtenstein widmen der rumänischen Künstlerin Ana Lupas, die seit den 1960er Jahren zu den wichtigsten ihrer Generation in Osteuropa gehört, erstmals eine zusammengehörende umfassende Einzelausstellung. Geboren 1940 lebt Ana Lupas bis heute in ihrem Heimatsort Cluj und ging in einem von Unfreiheit und Unterdrückung geprägten Umfeld des kommunistischen Regimes unbeirrbar und konsequent ihren experimentellen, zutiefst spirituellen und radikal humanistischen künstlerischen Weg.
Titel der Schau in Vaduz ist "Intimate Space – Open Gaze", wobei die Künstlerin diese nicht als Ausstellung, sondern als Recherche bezeichnet wissen möchte. Sie gewährte den Kuratorinnen der beiden Häuser Einblick in ihr sechzig Schaffensjahre umspannendes Archiv und in die Entstehungsprozesse. Bei der Werkauswahl für ihre bisher größte Einzelausstellung wirkte Ana Lupas maßgeblich mit. Ortsspezifisch musste diese sein, denn die Erfahrung des Raums sei für ihr Denken und ihre Arbeit von zentraler Bedeutung.
Im Kunstmuseum Liechtenstein liegt der Fokus auf zwei Werkserien, die zum ersten Mal präsentiert werden: An „Eyes“ arbeitete Ana Lupas von 1974 bis 1991. Nur wenige dieser Objekte wurden bisher gezeigt, die meisten der höchst fragilen Porzellanplastiken hütete die Künstlerin wie den (im wahrsten Sinne des Wortes) Augapfel in ihrem Atelier. Die 21 Skulpturen – ganz individuelle Organe des Sehens mit aufgemalten Pupillen, Lidern, Blutgefäßen, ein Auge in Metallgitter gefasst – sind in Vaduz so aufgestellt, dass sich ihr Blick auf eine Wand mit unkonventionell angeordneten Gemälden aus der Sammlung des Kunstmuseums richtet, die Ana Lupas ausgewählt hat und eine Gesamtsicht auf mehr als vierhundert Jahre Kunstgeschichte darstellen sollen.
Im folgenden Raum mit der Serie „Self-Portrait“ richten sich die Augen der Künstlerin selbst auf den Ausstellungsraum und das Publikum. Es sind 200 Plakate in Siebdruck mit Lupas´ Portrait, die 1998 zur Bewerbung ihrer Ausstellung in Székesfehérvár (Ungarn) entstanden und übriggeblieben sind. Wie Tagebucheinträge bearbeitete und übermalte sie im Jahr 2000 fast täglich eines dieser Plakate. Die Selbstporträts zeigen nicht nur den anhaltenden und beinahe obsessiven Dialog der Künstlerin mit sich selbst, sondern auch ihren Willen, eine staatlich vorgegebene Standardisierung durch Individualität zu überwinden. Am Boden, ein übergroßes Bild der Großmutter von Anas Großmutter Clara Maniu (1842–1929), eine engagierte Feministin. Auch in ihrem Konzept der „Identity Shirts“ stellt die Künstlerin die Bedeutung persönlicher Identitäten in Frage.
Die Überarbeitung und Wiederaufnahme bestehender Arbeiten ist ein zentrales Anliegen von Ana Lupas. So realisierte sie Variationen von „Humid Installation“ ab 1966 an verschiedenen Orten in Zusammenarbeit mit den Dorfbewohner:innen. Es verdeutlicht ihr leidenschaftliches Engagement für die Verbindung von Kunst mit lokalen Ritualen sowie mit Geschichte und Identität. Das Motiv der zum Trocknen aufgehängten Tücher greift sie über mehrere Jahrzehnte hinweg immer wieder auf und verändert Titel und Materialien, die mit jeder Variation starrer werden: von den Leinenbahnen über die schwarzen in Teer getränkten Draperien, bis zu in Aluminium gegossene Stoffbahnen – im Kunstmuseum als „Monument aus Stoff, Studie für Metallguss“ in Kunstharz zu sehen.
„Coats to Borrow“ ist wiederum eine Rauminstallation mit sechs, von der Künstlerin handgefertigten Mänteln, die an metallenen, orangen Kleiderstangen hängen. Ana Lupas bezeichnet diese selbst als „Akt des Widerstandes“, denn jeder Mantel sollte so lange, wie das Ceaușescu-Regime an der Macht war, weitergegeben und jedes Mal auf dem Innenfutter mit einem Namensetikett versehen werden. Im selben Jahr, 1989, gab es jedoch den Umsturz. Trotzdem sind in einem der Mäntel dreißig Stoffschilder aufgenäht, in den anderen nur eines – mit dem Namen von Ana Lupas.
Kuratiert für das Kunstmuseum Liechtenstein wurde die Ausstellung von Direktorin Letizia Ragaglia.
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[1] Ana Lupas
On This Side of the River Elbe
9. Mai – 15. September 2024
Stedelijk Museum Amsterdam
01.11.2024 - 16.03.2025
Kunstmuseum Liechtenstein
9490 Vaduz, Städtle 32
Tel: +42 3-235 03 00, Fax: +42 3-235 03 29
Email: mail@kunstmuseum.li
http://www.kunstmuseum.li
Öffnungszeiten: Di-So 10-17, Do 10-20 h