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Der Raubkunst-Forscher

Der spezielle Heroismus der Journalisten besteht in ihrer Unbeliebtheit. Das macht sie andererseits so wichtig. Es ließe sich sogar die folgende Regel aufstellen: Je unbeliebter die Zeitungsschreiber sind, desto nötiger hat man sie. In Österreich sind die meisten Journalisten sehr beliebt. Das macht sie auch so unnötig. Entsprechend sehen die Aufwerfungen der hiesigen Presselandschaft aus. Die wenigen, die nicht so beliebt sind, läßt man dies gleich mächtig spüren. Die wunderwirksame Strategie heißt Klagen. Geklagt wurde auch Thomas Trenkler, Redakteur für Kulturpolitik beim \"Standard\", nachdem er die Lichtgestalt national-nationalistischen Kunstverständnisses, Rudolf Leopold, ein wenig auf dessen nicht ganz so auratische Praxis der Besitzstandsmehrung hin unter die Lupe genommen hatte. In heiligem Furor war Trenkler das Wort vom \"Raubkunst-Sammler\" entfahren. Leopold reagierte, wie es ihm zusteht: Er ging vor Gericht. Was nun folgt, ist eine österreichische Geschichte. Allein, um sich Entlastungsmaterial zu beschaffen, blieb Trenkler nichts anderes übrig, als weiter zu recherchieren. Mosaiksteinchenweise bastelte er am Bild des Großkollektionärs, der sich nicht um Provenienzen scherte und nur durch diese Mischung aus Nonchalance und Obsession überhaupt an die schiere Menge an Gesammeltem geraten konnte. Mittlerweile ist aus den Mosaiksteinchen eine Geröllhalde geworden. Was Trenkler an Beweislast aufgehäuft hat, ist erdrückend: Nicht nur Leopold hat uneingestandenen Umgang mit Bildern, die einst jüdisches Eigentum waren, sondern auch die Nation, die ihm wieder einmal ganz selbstvergessen huldigt. Es geht um Albin Egger-Lienz, von dem Leopold sicher wußte, er habe \"nicht dem Geschmack von jüdischen Sammlern entsprochen, sie empfanden ihn als zu bäuerlich und zu derb\". Einem Land, in dem die Weigerung von diversen Nationalspielern, in Israel anzutreten, auf eine Zustimmungsquote von 72 Prozent trifft, fallen derlei Pauschalisierungen nicht weiter auf. Trenkler immerhin fielen die Namen von zehn jüdischen Egger-Lienz-Sammlern auf. Und 21 Arbeiten des Berg-und-Bauern-Artisten fielen ihm auf, die in Klagenfurt, Innsbruck, Lienz und eben im Leopold-Museum hängen. Sie sind, wie man das nennt, von \"ungeklärter Herkunft\". Ihre Provenienz ist mit anderen Worten allzu einschlägig. Diesmal geht es um Egger-Lienz. Wer ist der nächste?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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