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Der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestags hat entschieden: Das Deutsche Fotoinstitut (DFI) wird seinen Sitz am Rhein, nicht an der Ruhr haben. Damit ist die jahrelange leidige Debatte vom Tisch, ob das Institut nun – wie von einem unabhängigen, einst von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters eingesetzten Expertengremium und zudem durch eine Machbarkeitsstudie erhärtet – nach Essen gehen soll oder in die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf. Dort hatte sich ein privater „Verein zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e. V.“ als Lobby-Plattform des Fotokunst-Stars Andreas Gursky hervorgetan und nicht ganz uneigennützige Pläne vorgelegt, die die alte „Kunststadt“ Düsseldorf nun als neues Zentrum der gesamtdeutschen Fotografie empfiehlt. Ein „nationales“, d. h. ein öffentlich finanziertes Fotoinstitut, welches sich insbesondere der Konservierung und Restaurierung von Fotografien annimmt, käme jedenfalls zur rechten Zeit, wo der dank ihrer aus der Werbung entlehnten Großformatigkeit berühmt gewordenen „Fotokunst“ Düsseldorfer Couleur nicht nur die künstlerischen Ideen, sondern den jahrzehntelang für teures Geld verkauften Fotos selbst buchstäblich die Farbe auszugehen droht. Mit 86 Millionen EUR ist nun das vom Bund und NRW zu gleichen Teilen finanzierte Gründungskapital beziffert, das Düsseldorf endlich wieder zur neuen alten Größe macht.

Leidig war die Standortdebatte vor allem deshalb, weil darüber die eigentlich zu führende Grundsatzdiskussion in den Hintergrund geriet, was eine zentralisierte Kultureinrichtung für Fotografie unter den Auspizien des Nationalen – etwa nach dem Vorbild des Deutschen Literaturarchivs in Marbach – eigentlich sein und leisten müsste. Zu diskutieren auch, von welcher „Fotografie“ hierbei überhaupt die Rede ist. Was ein gesamtdeutsch zu verwaltendes „fotografisches Erbe“ historisch und perspektivisch sein soll, ist alles andere als eine triviale Frage. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Kunst, Kultur und Bildung in Deutschland immer noch Ländersache sind. Private Initiativen und öffentliche Einrichtungen zum Erhalt, der Archivierung, Beforschung und Ausstellung von Fotografie – und zum medial und medienhistorisch verwandten Film – auf kommunaler, Bezirks- und Länderebene gibt es bereits zahlreich. Für diejenige Fotografie, die – als künstlerisches Bildmedium oder aufgrund ihrer konzeptuellen Beanspruchung – als Teilaspekt in den Kompetenzbereich der bildenden Kunst fällt, sind die Kunstmuseen zuständig. (Hier wäre am ehesten einzuordnen, was den DFI-Lobbyisten besonders auf den Nägeln brennt.) Nicht, dass es also keinen kulturpolitischen Gestaltungsspielraum gäbe.

Es ist nur allzu bezeichnend, dass die Standortvergabe nun sang- und klanglos  in einem finanz- und nicht kulturpolitischen Gremium entschieden wurde. Bezeichnend auch, dass dabei eine lobbyistisch-lokalistische Luftnummer offenbar eher den Ausschlag gab als alle fachliche Expertise. Die beste unter den vielen schlechten Nachrichten zum Thema ist entsprechend, dass die drückende Erblast unerledigter „Chefsachen“ aus der Ära Grütters (CDU), die bei Amtsnachfolgerin Claudia Roth (Grüne) als Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) auf Wiedervorlage liegen, um einen Posten kleiner geworden ist. Dies, ohne, dass Roth selbst zu diesem durchaus dringlichen Thema dezidiert auch nur Stellung bezogen hätte. Statt kompetenter Kulturpolitik auf Bundesebene, mit der sich die dauerverspätete „Kulturnation“ wenigstens als Kunststandort fürs längst transnational gewordene Hier und Jetzt empfehlen würde, gibt’s mehr vom altbekannten, föderalen Klüngel. Das lässt wenig Hoffnung angesichts der vielen, verschlampten kulturpolitischen Großbaustellen: allen voran die Reform der von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit den dramatisch unterfinanzierten Häusern der, nun, „National“-Galerie unter dem reformbedürftigen Stiftungsdach.

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Abbildung: Blick von der Tonhalle auf Oederallee, Ehrenhof und NRW-Forum in Düsseldorf
Foto: Frank Vincentz --> CC BY-SA 3.0

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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