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Das Plus sucht noch Profil

Während die Schweizer in Miami vor 20 Jahren mit der Art Basel Miami Beach den Grundstein für das gesamte Ökosystem der Kunst gelegt haben, das sich seitdem dort entwickelt hat, können sie sich in Paris ins gemachte Nest setzen. Denn neben der von der Messe Schweiz ausgebooteten Vorgängerin Fiac existieren mit Paris Internationale, Also Known As Africa AKAA und Asia NOW drei etablierte Nebenmessen von unterschiedlicher Qualität, die ein Feld bestellen, das die Paris+ nur zu einem kleinen Teil abdeckt und die sie als Talentschmiede und Reservelager nutzen kann, so wie die Basler Mutter es mit der dortigen Liste handhabt.

Der Auftakt der Paris+ mit Skulpturen im öffentlichen Raum der Tuilerien für Alle und einem Champagnerempfang im zum Ritz gehörenden historischen Hotel d'Evreux an der Place Vendome für die Wenigen, war schonmal ein Einstand, wie ihn die Franzosen gewohnt sind. Beste Voraussetzungen also für die Schweizer, die im Grunde nur die Aussteller aus der in Frankreich beheimateten Fiac-Besetzung mit einigen Dutzend Großgalerien aus dem Basler Erdgeschoss ergänzen mussten. Das Ergebnis war erwartbar: Eine übervolles Grand Palais Éphémère am Eröffnungstag, die Großen vorne, dann die Hippen in der Sektion Émergentes und hinten im Zelt die Galerien, die in Basel den ersten Stock bespielen, oder gar nicht dabei sind, weil es sich um nichtbaselfähige Franzosen handelt, die man hier mitnehmen musste, um den Vertrag zu bekommen. Gekommen sind alle und noch ein paar mehr. Zum einen lockt der Reiz des Neuen, andererseits können und möchten wieder viel mehr Menschen reisen als noch vor einem Jahr. So ist es wenig erstaunlich, dass Aussteller erfreut die stärkere Präsenz von Asiaten vermelden. Andererseits scheint die Marke Art Basel so zugkräftig zu sein, dass Sammler einreisen, die nach Bekunden von Ausstellern bisher nicht zur Fiac kamen. Über 40 Mitarbeiter betreuen die VIPs, die mit einem umfassenderen Adressbuch arbeiten dürften als ihre Kollegen bei anderen Messen. Zumal Direktor Clément Delépine zuvor Paris Internationale geleitet hat und mit Jennifer Flay die ehemalige Direktorin der Fiac den Beirat der Paris+ leitet.  Auf der Nachfrageseite haben die Schweizer also ganze Arbeit geleistet. Das Angebot entspricht Art Basel-Standard, wenn auch nicht unbedingt dem in Basel. Den ausgedehnten Stand von Louis Vuitton am Eingang mit Künstlerhandtaschen (je 8.000 Euro) und einer grotesk deplatziert wirkenden lebensgroßen Yayoi Kusama-Puppe würde man vielleicht in Hongkong erwarten, die zum Teil nicht ganz marktfrische Ware der großen Händler eher in Miami. Die Hauptattraktion in der Haupthalle ist daher die 16 Aussteller umfassende Sektion Émergentes, die sowohl junge Galerien, als auch junge Künstler präsentiert. Eine der umlagertsten Kojen war die von Seventeen aus London, die einen Film (17.000 Euro) von Patrick Goddard samt von Schnecken bevölkerten kulissenartigen Eisenbahnmodellen (je 10.000 Euro) präsentierten, die komplett an eine Privatsammlung verkauft wurden. Die Rubells hielten sich hier gut eine Stunde auf. War es in der Grand Palais-Halle zur Eröffnung gesteckt voll und drückend schwül, fühlte man sich im deutlich leereren zugigen Zelt mit den weniger Blue Chip-verdächtigen Galerien eher an die Frieze London erinnert. Insgesamt wirkt Paris+ mit ihren 156 Ausstellern wie eine weniger französische, aber hochpreisigere Fiac. Für eine Premiere ist das achtbar, ein großer Fortschritt gegenüber der Fiac ist es bisher noch nicht. Und die vom manchen (schweizerischen) Kommentatoren befürchtete Konkurrenz zum Standort Basel ist nicht in Sicht.

Bereits am Dienstag hatte die Paris Internationale eröffnet, wie immer in einem zwischengenutzten Gebäude, dieses Mal in einer entkernten Baustelle nahe der Oper. Gleich zu Anfang kam es zu einem kleinen Eklat, indem die ukrainische Galerie Understructure ihre Teilnahme am Abend vorher absagte, weil mit Iragui gleichzeitig eine russische Galerie zugelassen ist. KOW aus Berlin hat bereits am ersten Nachmittag drei Arbeiten von Simon Lehner verkauft (zwei davon vorab), zwei Gemälde für 16.000 und ein Video einer 3er-Auflage für 8.000 Euro. Die teuerste Arbeit am Stand ist eine Skulptur  von Marco Castillo (ex-Los Carpinteros) für 60.000 Euro. Es sei auch erklärtes Ziel der Messe, eine große Bandbreite zu zeigen, erklärt Komittee-Mitglied Raphael Oberhuber. Für einige Galerien sei es die erste Messeteilnahme überhaupt.

In ihrer zweiten Ausgabe ist Also Known As Africa AKAA im historischen Carreau du Temple ein im wahrsten Sinne des Wortes bunter Gemischtwarenladen. Zwischen arg Handwerklichem und Auktionstrends Hinterherlaufendem finden Interessierte hier jedoch auch die Stars von morgen. Die Düsseldorfer Galerie Voss nimmt zum zweiten Mal teil. Letztes Jahr konnte sie ihren Stand mit Arbeiten des Nigerianers Idowu Oluwaseun komplett ausverkaufen. Aktuell richtet sie den Gemälden des Afro-Brasilianers Éder Oliveria eine Einzelpräsentation aus (10.000 bis 15.000 Euro). Zur afrikanischen Kunst ist Rüdiger Voss eher zufällig gekommen, als er vor einigen Jahren Peter Uka an der Düsseldorfer Akademie entdeckte. Die Arbeiten des gebürtigen Nigerianers werden mittlerweile auch von der Star-Galeristin Mariane Ibrahim zu sechsstelligen Preisen verkauft. Mit Mut zum Risiko und einem guten Blick lassen bei der Konkurrenzveranstaltungen zur 1-54 in London und New York Entdeckungen machen.

Eine gewisse Vorsortierung nimmt Asia Now in der weitläufigen Monnaie de Paris vor. Unverständlicherweise wird der Besucher zunächst in einem Zelt im Innenhof mit schreibunter Deko konfrontiert oder kleinformatiger Flipperware ohne Sinn von Sooyoung Chung zum Mitnahmepreis von 800 Euro netto bei Over the Influence (Hongkong, Bangkok, Los Angeles, Paris). Die meisten etablierten Galerien, inklusive einiger Art Basel- und Frieze-Teilnehmer) sind in den prächtigen Sälen der Bel Etage untergebracht. Hier finden sich auch die gay culture zelebrierenden Großformate des in Singapur geborenen Alvin Ong (35.000 Euro) bei der Yavuz Gallery aus Singapur und Sydney sowie demnächst München. Mit ihrer sechsten Ausgabe hat sich Asia Now auch von der klassischen Asien-Definition des Kunstmarktes verabschiedet und umfasst auch den Nahen und Mittleren Osten. Allein aus dem Iran sind sechs Galerien dabei. Angesichts der Fülle des Angebots wirken die wenig hilfreichen Lagepläne für das labyrinthische Areal und die lachhaft schlechte Qualität der Ausstellungsarchitektur wie ein Symbol der Orientierungslosigkeit bei der Galerieauswahl.

Ohne ihre Satelliten wäre Paris+ nur halb so attraktiv. Wenn die neuste Trophäe im Reich der Schweizer nicht nur ein Anhängsel der Art Basel sein will, mit dem die Konkurrentin Fiac ausgeschaltet und die Frieze London geärgert werden sollte, müssen die Schweizer ihr ein eigenständigeres Profil ermöglichen.

 

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Zu den Websites der Kunstmessen

--> Paris+ par Art Basel

--> Paris Internationale

--> Akaa Also Known As Africa

--> Asia Now Paris

Mehr Texte von Stefan Kobel

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