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Zeigt endlich Staatskunst

Das mit der Avantgarde hat sich mittlerweile doch ziemlich erledigt. Nach Jahrzehnten Dissidenten-Dauerdunst, nach der Sezession von der Secession und dem, wie Jürgen Kaube in der F.A.Z. neulich so schön formulierte, "transmigrativ Metalokalen" bewegt sich der Mund nicht einmal mehr zum Gähnen. Das scheint auch anderen so zu gehen. Terry Eagleton, einst treuer Wortspender der ästhetisch Engagierten, hat sich mit Sätzen wie dem folgenden zu Wort gemeldet: "Wenn die nasenberingten Violetthaarigen eine Subkultur sind, so sind es vielerorts auch die Haushalte, in denen sämtliche Kinder der gemeinsame Nachwuchs ihrer zwei Elternteile sind." Man konnte Eagleton schon lange nicht mehr zitiert finden. Offenbar hat er es sich verscherzt mit den Organen der Kunstlinken. Nun ist es auch schon wieder fünfzehn Jahre her, dass sich ein Zustand, in dem Dissidenz wirklich politisch war und Kunst entsprechend bestenfalls ein Nebeneffekt, erledigt hat. Das gesammelte Osteuropa wird heimgeholt in den Schoß der Mutter EU. Längst haben die Banken das Terrain sondiert und in ihrem Gefolge die Ausstellungsmacher und haben sich dort zusammen gesucht, was sie immer schon finden wollten. Und wie immer, wenn die Kunst auf den Plan tritt, schwört sie auf das Prinzip Verspätung. Also ist jetzt auch im Osten Gegnerschaft angesagt, bildnerische versteht sich, jene Fundamentalopposition, die so wohlfeil wie wertlos ist, weil sie niemand mehr nötig hat außer die Künstler selber. Was einst Widerstand gewesen wäre, ist schleimig geworden in einem diffusen Bedürfnis nach Widerständigkeit. Ost und West, sie wachsen zusammen. Wie wäre es, wenn man tatsächlich ein wenig Giftmischerei betriebe? Zuhauf liegen die Jubelpakete des sozialistischen Realismus in den Archiven, ungehobelte und ungehobene Schätze, bereit zur Aufarbeitung und Anverwandlung für das noch zu jeder Unvernünftigkeit bereite Kunstpublikum. Präsentiert nicht mehr, wie vor zehn Jahren in Wien, unter dem Signum der "Tyrannei", sondern, wie Boris Groys es jetzt in der Frankfurter Schirn zelebrierte, unter dem Label "Traumfabrik". Zeigt also endlich Staatskunst. Zeigt die Bilder einer Zeit, als die Künstler mit den Parteivorsitzenden jubelten. Und zeigt sie zusammen mit den Bildern jener anderen Zeit, als die Kuratoren mit den Vorstandsvorsitzenden jubelten. Zeigt endlich Kontinuität. Zeigt Traumfabrik.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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