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Helmut Newton. Legacy: Kontext ist nicht alles

Kann man die Fotografie Helmut Newtons neu kontaxtualisieren? Was sagen uns heute Fotos von nackten Frauen, die ihren Blick direkt auf die Betrachter:innen richten und damit (vermeintlich) Stärke demonstrieren?
Die Fotografie von Helmut Newton ist eine, die man gerne als „Aufreger“ bezeichnet - wenn man sie denn auf die Nacktheit reduzieren will, die übrigens erst in den 1980er Jahren zunehmend eine Rolle in Newtons umfangreichem Œvre spielt.

Jenseits dieser Aufnahmen steht die Geschichte eines Geschichtenerzählers mit der Kamera, der die Fotografie lange Zeit als Gewerbe, allenfalls als Auftragskunst sah und sich lange gegen die Vereinnahmung durch die Kunstszene, oder besser den Kunsthandel stellte. Doch großformatige Nacktheit lässt sich nunmal gut verkaufen, ein Faktum das sich bis heute nicht geändert hat, auch wenn die Inszenierungen andere sind.

Seine Fotografenlehre begann der 1920 geborene Helmut Neustädter, in Berlin im Jahr 1936, bei der damals sehr gefragten Mode- und Porträtfotografin Yva (Else Ernestine Neuländer-Simon). Die weltoffene, avantgardistische und kulturell bedeutende Stadt Berlin der 1920er Jahre war zu diesem Zeitpunkt schon dabei, ins dunkelste Kapitel des 20. Jahrhunderts abzugleiten. Das Fotoatelier Yvas wurde 1938 von den Nazis geschlossen und die Fotografin wahrscheinlich 1942 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Neustädter konnte Berlin noch rechtzeitig in Richtung Triest verlassen und gelangte schließlich nach Singapur, wo er kurzzeitig als Pressefotograf arbeitete.

Seine Karriere als Modefotograf begann Neustädter, nunmehr als Helmut Newton in Australien nach dem zweiten Weltkrieg. Mit seiner Frau, der australischen Schauspielerin June Brunell (eig. Browne), geht Newton nach Europa und beginnt zuerst für die britische Ausgabe der Vogue, weitere Länderausgaben der Vogue und andere Modezeitschriften zu arbeiten .

Newtons neuer Stil in der Modefotografie, der auch im Kunstforum ausgiebig dokumentiert wird, machte ihn rasch zum Star unter den Modefotografen. Er inszenierte Models, Mode und Marken als kleine Kurzgeschichten und ist damit ein Vorreiter des modernen Storytellings, das heute allgegenwärtig ist. Seine Inszenierungen zeigen Frauen als aktive, eigenständige Persönlichkeiten, damals zeitgemäß eingebettet in eine Welt aus Luxus, Glamour und High Society. Die viel und zurecht kritisierten Akte und die ikonischen Big Nudes schaffte Newton in den 1980er Jahren und man mag den großformatigen Fotos zugestehen, dass sie die Frauen nicht als Opfer, sondern in selbstbewusster Pose ablichten. Es scheint gerade so, als wollte Newton die Kontroverse um seine Bilder in den Blicken der Models bannen.

Man kann Helmut Newton im Kontext seiner Zeit sehen, aber man muss es nicht. Dennoch bleibt der im Jahr 2003 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Fotograf ein Erneuerer der Produktinszenierung und der Modefotografie.

Mehr Texte von Werner Remm

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Helmut Newton. Legacy
19.10.2022 - 15.01.2023

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