
Documenta – ja bitte!
Keine Frage: Antisemitische Stereotypen waren auf der Documenta 15 auf dem Banner „People’s Justice“, 2002, des Kollektivs Taring Padi zu sehen, und dieses ist selbstverständlich zu verurteilen! Dennoch: Diese Verurteilung darf nicht dazu instrumentalisiert werden, dass über die Intention des Banners, nämlich daran zu erinnern, dass General Suhartos Militärdiktatur in Indonesien während des Kalten Krieges von „westlichen“ Staaten wie den USA und eben auch Israel unterstützt wurde, so gut wie gar nicht diskutiert wird. Dieses Verschweigen eines ohne Frage „humanistischen“ Anliegens erinnert an die Art und Weise, wie in der real-existierenden Politik mit dem Fall Julian Assange umgegangen wird: Dessen Form Menschenrechtsverletzungen aufzuzeigen wird bestraft, nicht aber die die aufgedeckten Unrechte.
Die prompte Bestrafung von Taring Padi, das Abhängen ihres Banners, wird im Zuge ihrer allgemeinen Zustimmung zudem dazu genutzt, der gesamten Documenta 15 Antisemitismus zu unterstellen, obwohl das Kollektiv Taring Padi nur einer von etwa 1500 Teilnehmern der Documenta ist. In Folge dieses Generalverdachts werden dann Konsequenzen gefordert, die von der kontrollierenden Überwachung bis zur Abschaffung der Documenta reichen. Was diese höchst fragwürdige Strategie motiviert, hört sich dann so an: Die auf der Documenta alltäglich ausgeübte Praxis des „Lumbung“, des nachhaltigen, umweltbewussten und gemeinsamen Nutzens von Ressourcen also, sei nichts als „Reisscheunenkitsch“ (Deniz Yücel), das Prinzip des kollektiven Kuratierens und Arbeitens, das da an die Stelle individueller Genialität tritt, käme nicht über „Schafsgeblöcke“ (Bazon Brock) hinaus, und die postkolonialen Fragen, die auf der Documenta aus der Perspektive des globalen Südens aufgeworfen werden, versteht man in nicht zu übertreffender Ignoranz als „konservative Kritik an der Moderne (Denis Yücel). Das ganze (mediale) Unternehmen, das letztlich nichts anderes will, als die westliche Hegemonie über die Kultur zu retten, mündet unverhohlen in der Forderung die Kunstfreiheit, die als eine der „documenta-Romantizismen“ (Daniel Hornuff) denunziert wird, abzuschaffen. Nein, danke!