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Thomas Ruff: Feste Düsseldorfer Größe

Anders als seine Kolleg:innen Andreas Gursky, Candida Höfer oder Thomas Struth, die Fotografie eher im handwerklichen Sinne auslegten, wagte sich Thomas Ruff früh ins Terrain vor, das die so genannte appropriation art Ende der 1970er-Jahre erschlossen hatte. Statt Bilder selbst zu machen, lassen sie sich aus der Werbung, den Massenmedien oder Archiven aneignen und neu kontextualisieren. Dies, um verschiedene Gebrauchs- und Wirkungsweisen von Bildern zu reflektieren – ein zentraler Aspekt von Medienkritik. Entsprechend greift Ruff statt zur Kamera seit langem auf Bildbestände unterschiedlichster Provenienz zu, die er spezifisch auswählt, scannt, arrangiert, digital manipuliert oder gleich ganz nachbaut und – typisch für die Fotokunst der „Düsseldorfer Schule“ – jedenfalls enorm vergrößert.

Auch in seiner aktuellen Ausstellung im Düsseldorfer Stammhaus der Galerie Konrad Fischer geht es entsprechend groß zu. Hier zeigt Ruff nach dem Debut seiner „tableaux chinois“ in der Kunstsammlung NRW 2020 samt anschließender Verwertungstour durch internationale Groß- und Nicht-so-groß-Galerien wie David Zwirner und Mai 36 nun mit den „tableaux russes“ dieselbe bildkonzeptionelle Idee mit neuem, variiertem Thema. Zu den Propagandafotos aus der Mao-Zeit, die er historischen Magazinen und Büchern als Vorlage für seine Arbeiten entnommen hat, sind es nun auch solche aus der Ära Stalins – ausgerechnet. Diese Funde – Porträts des Diktators und von Lenin, Idealbilder der sozialistischen Gesellschaft, der ökonomischen und militärischen Macht usw. – bläst Ruff ins Riesenhafte auf, sodass das analoge Druckraster der Bildvorlagen sichtbar wird. Zugleich überzieht er einzelne Motive mit einem Pixel-Grid, das auch schon früher, etwa bei einer auf Pornos rekurrierenden Serie zum Einsatz kam. Mag bei exponierten Geschlechtsteilen und -akten blurring und verpixeln vom Thema her begründet sein, gerät die verpixelte Vintage-Propaganda endgültig zum pauschalen Look. So würden die Ruff‘schen Totalitarismus-Appropriationen formal zwar gerne ans digitale Jetzt anschließen. Doch zeitgenössische Bildpolitiken, aktuelle Formen der Überwachung, Zensur, Manipulation sehen anders aus – sofern man sie überhaupt noch sieht. Das, nebenbei, erweist nicht zuletzt der Informationskrieg, der aktuell den imperialen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine flankiert, Geschichtsrevisionismus inklusive. Zu all dem hat die Schau nichts zu sagen.

Wenn der Pressetext dennoch den alten Topos der Medienkritik bemüht und nahelegt, dass Ruff mit seinen „Fotografien“ (sic) „einmal mehr“ jene berühmte „Kluft zwischen Repräsentation und Realität“ untersuchen würde, gerät umso mehr in den Blick, wie sehr dieses Werk zur „festen Größe“ im Kunstbetrieb erstarrt und darüber redundant geworden ist. Gerade der Herstellungs- und Präsentationsstandard – gerahmte, hinter Plexiglas kaschierte, digitale Riesen-C-Prints – als Trigger, um den Mythos einer „Düsseldorfer Schule“ der Fotografie aufrecht zu erhalten, sind da genau das Problem, dem sich medien- und kunstkritisch zu widmen wäre – und Ruff mittendrin.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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Thomas Ruff
13.05 - 26.08.2022

Konrad Fischer Galerie
40233 Düsseldorf, Platanenstrasse 7
Tel: +49 211-68 59 08
Email: office@konradfischergalerie.de
http://www.konradfischergalerie.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 11-18 h


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