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Christiane Möbus. Seitwärts über den Nordpol: Das Frühwerk siegt

Christiane Möbus gehört seit den 1980er Jahren zu den wichtigsten Bildhauerinnen des deutschsprachigen Raumes. Jetzt wird sie anlässlich ihres 75jährigen Geburtstages mit gleich zwei Übersichtausstellungen unter dem Titel „Seitwärts über den Nordpol“ in Hannover präsentiert.

Bekannt geworden ist Christiane Möbus mit meist raumgreifenden Skulpturen, die Materialien und Motive in gezielt mehrdeutiger Art und Weise so kombinieren, dass dabei fast schon surreale Konstellationen entstehen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die im Kunstverein Hannover zu sehende Arbeit „rette sich wer kann“, 2001,: Zwei identische Rettungsschiffe aus Holz liegen da dicht nebeneinander auf dem Boden, auf dem Trockenen also, zudem überbordend beladen mit Heuballen. Platziert ist diese installative Arbeit im Ausstellungsraum bewusst so, dass den Besucher:innen nur wenig Platz bleibt an ihr vorbeizugehen. Wichtig, wie meist bei Christiane Möbus, ist hier auch der Titel der Arbeit, denn seine Aufforderung im Imperativ gibt jedweder Interpretation zumindest eine Richtung vor. Seenotrettung und Landwirtschaft, die Weite des Meeres und die Enge des Raumes, Verdoppelung und Displacement treten so in einen widerspruchsvollen Dialog ein, der, und auch das ist, wie gesagt, typisch für Christiane Möbus, nicht in einer semantischen Eindeutigkeit zu fassen ist. Dass dieses, wenn man so will, „Geheimnis“ (Carsten Ahrens) sich oftmals an der Grenze zur ach so poetischen Beliebigkeit bewegt, dieses ist immer wieder ein Problem dieser Kunst.

Doch die Ausstellung birgt auch positive Überraschungen, nämlich das während eines New York-Aufenthaltes entstandene Frühwerk der Künstlerin, das neben anderen Werken im Sprengel Museum Hannover zu entdecken ist. Da ist etwa das konzeptuelle „Eisberg-Projekt“, 1970, das aus der Anweisung „Schleppe einen Eisberg von Cape Farewell/Grönland in den Jadebusen/W Deutschland“ besteht. Das allmähliche Schmelzen des Eisbergs während der in dieser Textarbeit anvisierten Reise verhindert jedoch die tatsächliche Ausführung dieser Anweisung. Und da ist zum Beispiel die Papierarbeit „Just a Poem“ aus dem selben Jahr. In einem US-amerikanischen Lexikon hat die Künstlerin damals nach politisch relevanten Frauenfiguren aus der Geschichte gesucht, überraschenderweise aber in dem Buch nur drei (!) Frauennamen gefunden. Auf gelben Notizpapier stehen dann  unzählige Männernamen lapidar aufgeführt, dazwischen, in alarmierendem Rot markiert, die drei gefundenen Frauennamen. Diese oftmals der „Women-Concept-Art“ zugeordneten Arbeiten von Christiane Möbus sind, im Gegensatz zu ihren späteren, meist materialaufwendigen Skulpturen, noch dezidiert politischer Natur und beschäftigen sich früh mit Themen wie Ökologie und Feminismus. Gut so!

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Im Kunstverein Hannover endet die Ausstellung bereits am 24. Juli 2022.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Christiane Möbus. Seitwärts über den Nordpol
30.04 - 11.09.2022

Kunstverein Hannover
30159 Hannover, Sophienstraße 2
Tel: +49 511 32 45 94, Fax: +49 511 363 22 47
Email: mail@kunstverein-hannover.de
http://www.kunstverein-hannover.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 12-19, So, feiertags 11-19 h

Sprengel Museum
30169 Hannover, Kurt-Schwitters-Platz
Tel: +49 0 511 168 4 38 75, Fax: +49 0 68 4 50 93
Email: Sprengel-Museum@Hannover-Stadt.de
http://www.sprengel-museum.de/
Öffnungszeiten: Di 10.00 - 20.00, Mi - So 10.00 - 18.00


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