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Dialoge im Wandel. Fotografien aus The Walther Collection: Mehr Dialog bitte!

Während der Streit um die Gründung eines deutschen Fotoinstituts in Düsseldorf oder Essen einmal mehr die fehlende Einigkeit bundesdeutscher Kulturförderung vorführt, zeigt die Kunstsammlung NRW eine der interessantesten privaten Fotosammlungen der Republik. The Walther Collection mit Sitz in Neu Ulm und New York gilt seit über zwei Jahrzehnten als eine der Top-Adressen für Fotografie aus Afrika und der afrikanischen Diaspora. Die aktuelle Düsseldorfer Ausstellung gibt einen umfangreichen Einblick in diese stimmige Sammlung und möchte sich als Würdigung des 2019 verstorbenen Kurators Okwui Enwezor sowie des Sammlers Artur Walther verstanden wissen.

Enwezor hatte bereits 2010 die Ausstellung „Momente des Selbst: Porträtfotografie und soziale Identität“ für die Walther Collection realisiert und war mit seiner Expertise entscheidend beim Sammlungsaufbau beteiligt. Ob vergleichbares auch unter den Bedingungen öffentlich finanzierter Institutionen möglich gewesen wäre, darf gefragt werden. Ob es den Nachdruck auf die Produktivität dieser ‚Privat Public Partnership‘ in den Begleittexten und Videoclips, bis hin zu einem raumgreifenden Saaltext, gebraucht hätte, jedoch auch.

Die Werke selbst hingegen sprechen für sich. Bereits der erste Raum wird von 14 großformatigen Fotos aus Samuel Fossos Serien „Self-Portraits from the '70s“ und „1976“ eingenommen. Der Künstler stellt darin einige selbst schon ikonische Pressebilder afrikanischer und afroamerikanischer Aktivist*innen und Bürgerrechtler*innen nach. Die Spannung zwischen der Re-Inszenierung und den historisch, so bedeutenden Vorbildern zielt direkt auf Fragen der Identitätspolitik und ihrer bildlichen Darstellung. Deren Pendant bilden drei Selbstporträts von Edson Chagas. Er trägt darauf traditionelle Bantu-Masken, dazu westliche Anzüge mit Krawatte. Die Identität des Künstler-Modells bleibt hier vollständig maskiert. Auf der gegenüberliegenden Wand zeigt ein Foto aus Chagas Serie „Oikonomos“ ihn nur noch im weißen Hemd mit einer Plastiktüte eines populären westlichen Sportartikelherstellers über dem Kopf. Kapitalistischer Konsum präsentiert sich als neuer globaler Fetisch, der jede Geschichte längst verkauft hat.

Aus dem nächsten Raum blicken einem schon die selbstbewussten Gesichter der LGBTQIA+Personen entgegen, die Zanele Muholi für ihre Serie „Faces and Phases“ abgelichtet hat. Auch hier scheint bereits dieser Titel vor starren Festschreibungen zu warnen.

Insgesamt überzeugen die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten sowohl als politische Dokumente und als selbstreflexive Kompositionen. Der oft bemühte Widerspruch zwischen Aktivismus und einer politischen Ikonographie gegenüber künstlerischer Autonomie-Behauptung, wird hier überzeugend gebrochen.

So sind die filigranen „Hairstyles“, die J.D.’Okhai Ojeikere festhält, mindestens genauso schön wie Karl Blossfelds Bilder vegetativer Formen. Darüber hinaus sind sie aber auch Zeugnisse von Empowerment. Wie Malick Sidibé in seinen „Vues de dos/ Rückenansichten“ die grafische Qualität textiler Muster in seine feinen Kompositionen einbindet, ist einfach nur wundervoll. Und auch die Landschaftsfotografien von David Goldblatt oder Jo Ratcliff stehen dem in nichts nach.

Etwas unmotiviert hingegen wirken die Gegenüberstellungen mit Werken August Sanders sowie Bernd und Hilla Bechers. Sie sind zu unentschlossen, um im Vergleich besonders viel zu eröffnen. In Kombination mit dem Ausstellungstitel „Dialoge im Wandel“ erhalten sie eher einen fadenscheinigen eurozentrischen Beigeschmack. Die historischen Aufnahmen europäischer Kolonisatoren stehen in ihren stereotypen Klischees in schrillem Kontrast zu einem beliebig wirkenden Titel. Sie lassen jede Form des Dialogs schmerzlich vermissen. Hier wäre etwas mehr Feingefühl wünschenswert gewesen.

Mehr Texte von Thorsten Schneider

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Dialoge im Wandel. Fotografien aus The Walther Collection
09.04 - 25.09.2022

K21 Ständehaus Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
40217 Düsseldorf, Ständehausstraße 1
Tel: +49-(0)211-8381-130, Fax: +49-(0)211-8381-201
Email: info@kunstsammlung.de
http://www.kunstsammlung.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18.00, Sa, So 11-18.00 h


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