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Götz Valien - Lieber Maler: Die Frage der Autorenschaft im 21. Jahrhundert

In seiner Ausstellung „Lieber Maler“ im Berliner Haus am Lützowplatz stellt Götz Valien großformatige Gemälde vor, Malereien, die ästhetisch irgendwo angesiedelt sind zwischen Hyperrealismus, Ölmalerei und verführerischer Plakatwerbung. Um „virtuellen Realismus“ so Götz Valien selbstbewusst, handele es sich hier. Mit diesen Bildern stellt der in Kitzbühel geborene und in Berlin lebende Künstler eben die Frage, die spätestens von dem Pop-Artisten Andy Warhol, dezidierter dann von Gerhard Richter, aufgeworfen wurde: Welche Rolle kann Autorenschaft in der Malerei angesichts der allgegenwärtigen Einflüsse durch technisch generierte Bildwelten eigentlich noch spielen?

Zu sehen also ist da zum Beispiel das Bild „Y a d ‚l‘ Un“, 2016, das einen in hellblaues Licht getauchten, beinahe menschenleeren futuristischen Wartebereich zeigt. Stilistisch angelehnt ist das Gemälde nicht von ungefähr an die „coole“ Ästhetik von Edward Hopper und so wird der scheinbare Fotorealismus hier gebrochen durch die (kostbare) Aura kunsthistorischer Ölmalerei. Zudem kommt besagter Aspekt der zu hinterfragenden Autorenschaft ins Spiel. Noch deutlicher wird dieses Problem artikuliert in Götz Valiens recht präzisem „Reanactment“ (Valien) des tausendfach fotografierten  Bildes „Die Geburt der Venus“, 1485/86, von Sandro Botticelli. Die Grenzen von Appropriation und Neuinterpretation werden hier konzeptuell vom Künstler ausgelotet, sicher ist nur, dass es wieder einmal Spaß macht sich „Die Geburt der Venus“ anzuschauen, jetzt ohne Sicherheitsabstand, ohne pompösen Rahmen und ohne durch schützendes Panzerglas blicken zu müssen.

Der Titel der Ausstellung ist selbstverständlich ein verkürztes Zitat des Bilderserien-Titels „Lieber Maler male mir“ von Martin Kippenberger. Das zentrale Werk von „Lieber Maler“ ist dann auch die Arbeit „Paris Bar“ (Variante 3), 1993 – 2010. Die nach Fotos gemalten Bilder der „Paris Bar“-Reihe zeigen die Ansicht einer kleinen Ausstellung, die Martin Kippenberger in dem Berliner Restaurant an einer Wand arrangiert hatte, u. a. mit Arbeiten von Albert Oehlen und Laurie Simmons. „Lieber Maler“ fragt nun explizit danach, wer der Autor von „Paris Bar (Variante 3)“, das Götz Valien im Auftrag der Berliner Firma „Werner-Werbung“, gemalt hat, eigentlich ist: Kippenberger, wie bisher oft behauptet wird, oder Valien? Dazu hat das „Haus am Lützowplatz“ extra ein Gutachten bei dem Notar und Anwalt Peter Raue, der zudem von 1977 bis 2008 Vorsitzender der „Freunde der Nationalgalerie“ war, eingeholt. In diesem Gutachten konzentriert sich Peter Raue auf die handwerkliche Aspekte der Angelegenheit, das „eigenhändige Schaffen“ nämlich. Er stellt dann, entgegen der Einschätzung des „Estate of Martin Kippenberger“, fest, dass Götz Valien „Alleinurheber“ aller drei Gemälde sei. Diese (juristische) Frage nach der Autorenschaft steht übrigens in einem bedenkenswerten Spannungsverhältnis zu Roland Barthes bereits 1997 formulierten Statement vom „Tod des Autors“. Und sind nicht „Copyleft“ und „multiple Autorenschaft“ längst geschätzte Strategien gerade eines avanciert-kritischen Kunstschaffens?!

Mehr Texte von Raimar Stange

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Götz Valien - Lieber Maler
28.01 - 27.03.2022

Haus am Lützowplatz
10785 Berlin, Lützowplatz 9
Tel: +49 0 30 261 38 05, Fax: +49 0 30 264 47 13
Email: office@hal-berlin.de
https://www.hal-berlin.de/
Öffnungszeiten: Di - So: 11 - 18 Uhr


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