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Cornelius Kolig - Verweilen statt verreisen: Ein kleines Stück vom Paradies

Es ist, so könnte man es zusammenfassen, eine Ausnahmesituation in Ausnahmezeiten. Eigentlich hatte sich Cornelius Kolig bereits länger vom institutionellen Kunstbetrieb verabschiedet. Zu sehr sehr versteht er jedes einzelne Artefakt als Teil eines großen Ganzen, das „aus dem Zusammenwirken, der Zusammenschau und dem symbolischen Zusammenklang vieler aufeinander bezogener Arbeiten ein höherer Grad an Komplexität und Intensität erreicht werden kann, als es durch die vom Kunstbetrieb in der Regel bevorzugten Portionierung künstlerischer Konzepte zu warenverkehrstauglicheren Einzelwerken möglich ist“, wie er es in der 2013 als Buch publizierten „Bedienungsanleitung“ für sein Paradies formuliert. Dass Christa Zetter mittlerweile seit Jahrzehnten mit dem Künstler im Kontakt steht und ihm bei der Gestaltung der Ausstellung in sämtlichen Galerieräumen freie Hand gewährt wurde, dürfte dazu beigetragen haben, dass einer Zusage nichts im Wege stand. Alleine die Pandemie hat das Projekt dann mehrmals verzögert. Doch was sind schon Monate, wenn es um nicht weniger als das Paradies geht?

Paradies, Vorderberg an der Gail, 1979 bis heute, Luftaufnahme aerial view: © Steinthaler, Klagenfurt

Das Paradies, das seit 1979 im Gailtaler Vorderberg entstanden ist, ist dem Künstler „ein Ort idealer Arbeitsbedingungen". Besucher:innen indes betreten, wie es der Katalog zur Ausstellung nun aneinanderreiht „Lebens- und Gesamtkunstwerk, Werkstatt, Produktionsort, Schaudepot, Archiv, Friedhof und Garten in einem“. Motto dieses Hortus conclusus, am Schusstein zu lesen, ist auch der Titel der Ausstellung in der Galerie bei der Albertina und hätte in Zeiten wie diesen besser nicht gewählt sein können: VERWEILEN STATT VERREISEN.

Über viele Jahre schien es, als ob Cornelius Kolig polarisieren würde. Die Bezeichnung „Fäkalkünstler“ fiel dabei gerne einmal von der rechten, in Kärnten zeitweise recht populären Seite und dem entsprechendem Boulevard. Kolig selbst fasst es mit der Erkenntnis zusammen, dass das „was sich im Körper tut, wesentlich wichtiger ist, als seine Erscheinung“, folglich beschäftigte sich der Künstler mit Röntgenaufnahmen ebenso wie mit Körperflüssigkeiten und Exkrementen und deren Form. (In Zeiten, in denen die Verwendung von Kothaufen-Emojis beliebt ist, dürfte derlei heute kein Problem mehr darstellen). Für die Verleihung des Kulturpreises des Landes Kärnten im Jahre 2006 erschien der Künstler mit einem eigens konstruierten Gestell zur kontaktlosen Übernahme der Auszeichnung durch den damaligen Landeshauptmann Jörg Haider (der dieser Konfrontation durch Abwesenheit aus dem Wege gegangen ist). Auch hierbei erweist sich Koligs Entwurf als nachgerade visionär.

Die Ausstellung selbst bietet einen schönen Überblick über die letzten Jahrzehnte des Schaffens Koligs. Ein Plexiglasobjekt aus dem Jahre 1968 ist ebenso dabei wie seine „Säuglinge“, bei denen Papier in speziellen Vorrichtungen die Farbe langsam in sich aufnimmt, Arrangements mit aufgeklebten, überarbeiteten Kunststoffblumen ebenso wie Versuchsanordnungen über die Saugfähigkeit von Tampons mittels Farbe aus dem Jahr 1989. Auch hier möchte man ins Grübeln geraten, wie früh sich Kolig mit derlei beschäftigt hat, wie sehr und selbstverständlich er immer aktuell bleibt, auch bei seinem angestammten Metier der Malerei. Hier darf er sich einreihen in eine Tradition, die mit der Generation seines Großvaters Anton im Gailtal seinen Ursprung fand. Nachgerade klassisch muten hier die Blumenbilder, einzelne Blütenblätter, Himmel- oder Bergkonstellationen an, kunsthistorisch die Bezüge zu Dürers „Blaurackenflügel“ oder Rembrandts Spiel von Licht und Glanz im Dunkel. Selbstreferenziell wird der Vorgang der Malerei in den Palettenbildern thematisiert.

Schließlich bleibt der Blick an großen Tafeln hängen, bei denen man an Monets Seerosenbilder denken möchte. Alleine die Titel geben zu verstehen, dass es heute in den Gewässern weniger rosig zugeht. „Müllmeer, Ozeanmüll oder North Pacific Gyre, richten ihr Augenmerk auf die Verschmutzung der Meere durch Kunststoff. Alle sind sie vor mehr als 20 Jahren entstanden. Und während man in der Galerie noch verweilt, plant man auch schon zu verreisen. Ab ins Paradies!

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Die Ausstellung ist nach dem aktuellen Lockdown noch bis Weihnachten zu sehen.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Cornelius Kolig - Verweilen statt verreisen
20.10 - 20.11.2021

Galerie bei der Albertina - Zetter
1010 Wien, Lobkowitzplatz 1
Tel: +43 1 513 14 16, Fax: 01/513 76 74
Email: zetter@galerie-albertina.at
http://www.galerie-albertina.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr 10-18, Sa 10-13


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