Rebecca Horn: Die Poesie der Welt
Federn, Bandagen, klopfende Hämmer - lebendig gewordene Automaten von Rebecca Horn, die in surrealistischen Abläufen eine Bewegung vollziehen, sind derzeit im Bank Austria Kunstforum Wien zu sehen.
Gezeigt wird eine umfassende Personale, der 1944 in Michelstadt, Deutschland geborenen Künstlerin. Zuletzt waren Arbeiten von Horn 1994 in einer Schau der Wiener Kunsthalle zu sehen und sind nun, nach fast dreißig Jahren, als komplettiertes Oeuvre in Wien ausgestellt.
Neben großformatigen Installationen kann man im Kunstforum sehr gut die Anfänge der Künstlerin an Hand von Videoarbeiten und Artefakten studieren. Dabei lässt sich ein Bogen von Ideen, Materialien und Praktiken spannen, die man auch in Ihren großformatigen Skulpturen lesen kann.
1972 holte Harald Szeemann die 28-jährige Künstlerin zu seiner legendären documenta 5 und ermöglichte Horn, rasch einem breiteren Publikum bekannt zu werden. Die einstige Musterschülerin entwuchs dem Kurator sehr erfolgreich und nahm noch drei weitere Male an der documenta teil.
1970 schuf die Künstlerin einen 12-minütigen Film mit dem Namen „Einhorn“, worin eine junge Frau ein weißes Stoff-Horn auf ihrem Kopf trägt: Ihr Körper ist in Stoffbandagen gewickelt. Ähnliche Erfahrungen die auf einer künstlichen Erweiterung des Körpers basieren, machte die Künstlerin mit der Arbeit „Handschuhfinger“ von 1972. Darin zog sie einen Handschuh an, dessen Fingerlinge bis zum Boden reichten. Damit konnte Sie den Sie umgebenden Raum „ertasten“. In der Ausdehnung der Körpererfahrungen ist Rebecca Horn ein Kind ihrer Zeit. Besonders Künstlerinnen beschäftigten sich in den 70er-Jahren mit „Body-Extensions“, so die österreichische Künstlerin VALIE EXPORT oder die französische Künstlerin Orlan mit ihren „Mesurages“.
Neben den „Körpererweiterungen“ arbeitet Rebecca Horn mit immer wiederkehrenden Materialien wie Federn. Sie kommen als Hahnenfedern und Kakadufedern im Frühwerk vor und finden sich auch in großen Skulpturen in Form von Pfauenfedern wieder. Anfang der 70er-Jahre entstehen Performance-Filme, in denen sie Teile Ihres Gesichts mit Hahnenfedern verdeckt. Danach drehen sich gelockte Haare eines Mannes ins Bild. Die Hahnenfedern werden zu einer Art federleichten Puffers zwischen Mann und Frau.
Im Kunstforum Wien ist auch eine große Apparatur mit Pfauenfedern zu sehen, die sich durch einen Motor angetrieben zu einem Rad öffnen und wieder schließen.
Rebecca Horn ist mit ihrem Gesamtwerk kunsthistorisch schlecht einzuordnen. Sie geht oftmals in ihren Arbeiten von einem Text, einer Skizze, Gouache, einer mechanischen Skulptur zu Installation, zu Geschichte bis zu einem Drehbuch weiter. Horn entwickelte ihre eigenen künstlerischen Materialien und Themen weiter, woraus ein stilsicheres Repertoire entstand.
Zuletzt sei hier auf die Skulptur „Concerto dei Sospiri“ verwiesen, die im Eingangsbereich des Kunstforums liegt. 1997 war sie auf der Biennale di Venezia zu sehen. Eine Ansammlung von Bauschutt aus Venedig, durchmischt mit Paletten ergießt sich wie ein Strom in die Ausstellungshalle. Dazwischen sind kupferne Röhren zu sehen, die in Trompetentrichter münden. Das „Konzert der Seufzer“, das Horn hier darbietet vereinigt gekonnt die ewigen Bauprobleme der Stadt Venedig, ihre symbolträchtige Vergänglichkeit und den Aufschrei und den Protest der verfallenden Gemäuer und der Commune. Treffender kann man eine Seite des Charakters von Venedig nicht darstellen.
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Amnm.d.Red.: Unser Reel zur Ausstellung finden Sie --> hier
28.09.2021 - 23.01.2022
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