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Berliner Hausbesetzungen

Gleich drei prominente Direktorenstellen sind jüngst in Berlin neu besetzt worden. Die zum Teil recht fragwürdigen Entscheidungen berücksichtigen zwar durchaus Kriterien der Diversität hinsichtlich „sexueller Orientierung“ und „ethnischer Herkunft“, überraschenderweise aber ist keine Frau dabei: Die Neue Nationalgalerie nämlich wird nun von Klaus Biesenbach geleitet, das Haus der Kulturen der Welt von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung und der Hamburger Bahnhof von dem vergleichsweise unbekannten Kuratorenduo Sam Bardaouil & Till Fellrath. Bedenkenswert auch, dass zwei der drei neuen Direktoren keine akademische Ausbildung im Bereich Kunst und Kultur haben, stattdessen hat man auf charismatische und „legendenumwobene“ Männer gesetzt. So wird über Biesenbach immer noch kolportiert, er hätte das Berlin-Mitte Kunstleben der 1990er Jahre als „Mitbegründer der KunstWerke“ (Berliner Tagesspiegel) entscheidend inspiriert. Richtig ist, dass er den damaligen Kunsthype nicht initiiert hat, sondern durch seine wohl ziemlich eigenmächtige Umwandlung der (schon bestehenden) KunstWerke von einem Artist Space zu einem Ausstellungshaus noch ein Schritt weiter institutionalisiert hat. Und Bonaventure Soh Bejeng Ndikung gilt heuer für Viele als wichtiger Cokurator der letzten Documenta, richtig aber ist, dass er lediglich als Curator at large für das (damals kaum wahrgenommene) Radioprogramm der Documenta verantwortlich war, wie dann auch im Katalog der d 14 vermerkt ist. Gemeinsam ist allen drei Neubesetzungen zudem, dass auf Hausberufungen verzichtet wurde, obwohl „vor Ort“ jeweils  durchaus berechtigte Hoffnungen bestanden. Zu befürchten ist, dass dieses personelle Konsequenzen, gerade im Fall von Anselm Franke im Haus der Kulturen der Welt, mit sich bringen wird. Begründet wird dieser Umstand damit, dass man sich frischen Wind von diesen Berufungen erwarte und „neue Richtungen“ eingeschlagen werden sollen. Mag diese Begründung bei Bonaventure Soh Bejeng Ndikung und bei Sam Bardaouil & Till Fellrath vielleicht und hoffentlich Sinn machen, so sicher aber nicht bei Klaus Biesenbach: Ausgerechnet er, der nach 30 Jahren zurückkehrt in seine alte Wirkungsstätte Berlin, soll für neue Entwicklungen stehen? Hält man also tatsächlich eben den neuen neoliberalen american way of artlife, der nicht zuletzt auf Glamour und Vermarktbarkeit abzielt, den der jetzige Heimkehrer in New York und Los Angeles lernen wollte, für eine anstrebenswerte Neuerung?!

Kurz und schlecht: Es wäre sicherlich mehr drin gewesen bei diesen Hausbesetzungen in Berlin.

Fotocredits v.l.n.r
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung: Raisa Galofre
Till Fellrath, Sam Bardaouil: Pablo Salgado
Klaus Biesenbach: Casey Kelbaugh

Mehr Texte von Raimar Stange

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