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Der Preis der Schönheit - Zum 100. Geburtstag der Wiener Werkstätte: Fast-Food ohne Ideologie

Das haben Jubeljahre so an sich. Es wird nicht nur gefeiert, sondern auch gebührend gelobt, Anekdoten und neue Erkenntnisse zum Besten gegeben. Das 100jährige Gründungsjubiläum der Wiener Werkstätte (WW) wurde demgemäß auf heimischem Boden von Kunsthändlern und Auktionshäusern ausgiebigst zelebriert. Ganz schnell, bevor das nächste Jahr vor der Tür steht und sich das Bejubeln damit selbstredend erübrigt, harrte die Fachwelt auf den Schiedsspruch jener Institution, in welcher die Unternmehmensgeschichte zu einem erheblichen Teil gestaltet wurde und heute in Form des WW-Archivs bewahrt wird. Die Hoffnung der Fachwelt: Wo, wenn nicht im MAK, könnte die mit so viel Idealismus und Wille zur Veränderung gegründete WW in angemessener, vielseitiger und aktualisierter Form präsentiert werden. Kein Platz für Legenden Aber das sind Erwartungen, die Direktor Peter Noever nicht erfüllen möchte, wie sein Interessensfokus ohnedies auf Zeitgenössischem ruht. Dem schnöden Kunstgewerbe wurde und wird hier seit 1986 wenig Aufmerksamkeit zu teil. Damals begann die Regentschaft von Noever und zeitgleich der Beginn der Sammlung von Gegenwartskunst. Dem Bestand des Hauses zollte er mit der Generalsanierung des Gebäudes, mehr Ausstellungsfläche und wunderbaren Schausälen Tribut. Für einschlägige Präsentationen fanden sich nur sporadisch Termine, zuletzt etwa 1998 mit einer Personale zu Dagobert Peche. Aber ein musealer Bildungsauftrag gehört ohnedies nicht zu den Noeverschen Ambitionen, eher schon zelebrierte Provokation. Deshalb finden Legenden im Haus am Stubenring keinen Platz. Ihr Stellenwert wird, wie im Falle der WW, nicht im internationalen Kontext gesehen. Denn dazu bräuchte es ein wenig mehr, als einen Velde-Schreibtisch oder eine Wagenfeld-Kanne zu zeigen. Nein, Noevers Visionen haben ihren Ausgangspunkt stets in der Gegenwart. Durch sein Lorgnong zeigt sich das so: Die von der WW angestrebte Idee vom Gesamtkunstwerk manifestiert sich einzig in der Ausstellungsarchitektur - in der künstlerischen Intervention des Zeitgenossen Heimo Zobernig, begleitet von Christian Witt-Dörring, dem verantwortlichen Kurator. Der Zauber der WW wird auf das von Noever postulierte "Eigentliche" herabgesetzt: artifizielles Fast-Food. Das ist rückblickend eben der Preis der Schönheit, den Hoffmann & Co im MAK zu zahlen haben und der floskelhaft auch gleich als Ausstellungstitel fungiert. Das Präsentationskonzept: Das doppelte "W" bildet (als Markenzeichen) den Grundriss eines zusammenhängenden Vitrinensystems, das als Gesamtkunstwerk eine chronologische Ordnung vorgaukelt aber den Besucher räumlich verwirrt. In den Schaufenstern reihen sich mehr als 1200 Objekte. Gemäß Dagobert Peches WW-Synonym "Kultur-Kaufhaus des 20. Jahrhunderts" wird das Publikum erst gar nicht von etwaigen Beschriftungen abgelenkt - die gibt es an der Kassa für einen Euro zu erwerben. Analog zu dieser populärwissenschaftlichen inhaltlichen Konzeption darf Fachliches im zugehörigen Katalog nachgeschlagen werden. Fazit: bis 7. März 2004 kommen Konsumjunkies auf ihre Kosten, Markenkenner dürfen sich nur an der Fülle erfreuen.
Mehr Texte von Olga Kronsteiner

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Der Preis der Schönheit - Zum 100. Geburtstag der Wiener Werkstätte
10.12.2003 - 12.04.2004

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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