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Beuys - ein Rechter?

Da wird heute einem 1921 in Deutschland geborenen Mann hypermoralisch vorgeworfen er hätte freundschaftlichen Kontakt zu Menschen mit „Nazivergangenheit“ gehabt. Ja, in der Tat: Joseph Beuys hatte dieses, genau wie wohl fast alle Deutschen seiner Generation. Aber zudem, so der nächste Vorwurf, kämpfte er als Soldat für das Dritte Reich, hatte sich sogar freiwillig gemeldet. Auch das stimmt, nur war er damals erst Anfang Zwanzig. Vor allem aber nutzte Beuys diese Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus dann um den Rest seines Lebens als überzeugter Pazifist, engagierter Basisdemokrat und Mitbegründer der Partei der GRÜNEN künstlerisch zu arbeiten. Dass er dabei bekanntlich meist mit einer „paramilitärisch“ anmutenden Kleidung auftrat ist prompt ein weiterer Grund, den Künstler zu diskreditieren, ganz so als hätten diese Kritiker noch nie über Culture Jamming nachgedacht. Und darüber, warum Punk- und Reggaemusiker auf Antifa-Konzerten oftmals mit militärischer Tarnkleidung auftreten.

Beuys wird also zu seinem 100. Geburtstag wieder einmal als „deutschester aller deutschen Künstler“ (Niklas Maak, Link zum Artikel -->hier) in Frage gestellt, gar als einer der „in dem Zug sitzen geblieben (ist), in dem er 1933 eingestiegen ist“ (Frank Gieseke/Albert Markert). Klar, dass da dann nicht nur in plumper identitätspolitischer Strategie das Leben von Beuys angeprangert wird, sondern auch dessen Werk. Diese Kritik besitzt dann zuweilen schon groteske Züge, so fragt sich Niklas Maak in der FAZ zum Beispiel tatsächlich, ob es klug von dem Künstler war, bei seiner Kassler Documenta-Aktion „7000 Eichen“ ausgerechnet „deutsche“ Eichen zu pflanzen – wären dem Journalisten Palmen lieber gewesen?! Vor allem aber wird dem „Schamanen“ Beuys vorgeworfen, er wäre ein „Mystiker“ gewesen, hätte also „irrationaler“, ja „barbarischer“ Kultur Gehör verschafft und wäre somit, wie in den Sozialen Netzwerken derzeit kolportiert wird, auch den sogenannten „Querdenkern“ den Weg geebnet. Und die von Beuys bedachte Anthroposophie hat ja sowieso völkische Züge ...

Diese Kritik wirkt gerade heute seltsam verlogen, denn der aktuelle postkoloniale Diskurs zeigt ja überzeugend, dass mythologisches und indigenes Wissen als Reaktion auf den Logozentrismus sehr wohl emanzipatorisches Potenzial besitzt. So fordern derzeit nicht wenige (ideologie)kritische Künstler:innen und Intellektuelle überaus not/wendig die Rückgewinnung der durch den Eurozentrismus verschütteten Narrative. Unverständlich daher, warum zum Teil die selben Leute den Rekurs auf den Schamanismus bei Beuys als faschistisch diffamieren, statt seine Arbeit als frühen Versuch anzuerkennen, indigenem Wissen eine Stimme zu geben. Auch die identitätspolitische Maxime, als „weißer Mann“ dürfe man sich nicht beim Schamanismus „bedienen“ ist Unsinn, denn längst gibt es kein „reines“ indigenes Wissen mehr und die „kulturelle Aneignung“ dieses hybriden Wissens ist beileibe nicht immer ausbeuterisch und feindlich gesinnt – schon gar nicht bei Beuys. Zudem kann solch’ „Cultural Appropriation“ schon deswegen nicht verboten werden, weil Kultur nun einmal niemanden gehört, sie hat kein Copyright.

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Mehr als 20 Ausstellungen und Veranstaltungen in Deutschland setzen sich im Jahr 2021 mit dem Leben und Werk Joseph Beuys’ auseinander.
Weitere Informationen auf der Website beuys2021 --> https://beuys2021.de

In Österreich zeigt das Belvedere21 noch bis zum 13. Juni die Ausstellung „ Joseph Beuys - Denken. Handeln. Vermitteln.“
Daraus das Titelbild: Joseph Beuys während seines Vortrags in der Galerie nächst St. Stephan am 4. April 1979, Foto: Gerhard Kaiser, Archiv Gerhard Kaiser

Mehr Texte von Raimar Stange

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