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Romana Scheffknecht 1952 - 2021

„Ein Augenblick des Todes“

 

Vor einer Projektionsfläche in Bildschirmformat, auf dem das abgefilmte Porträt des Philosophen Ludwig Wittgenstein im Dia erscheint, liegt eine weibliche Spielzeugfigur vor einem Ambulanzwagen. Über dem Gesicht steht der Titel dieser Installation mit Diaprojektor: „Ein Augenblick des Todes“. Eine modellhafte Versuchsanordnung Romana Scheffknechts von 1996, in der eine zufällige Situation uns zwingt, einen plötzlichen Tod zu interpretieren. Nun ergibt es sich leider „die Szene des letzten Atemzugs“ (Wittgenstein) auf den zu frühen Tod der Künstlerin zu übertragen. Die kleine Frauenfigur gibt es auch in einer anderen, 1999 entstandenen Installation der zahlreichen „Philosophischen Untersuchungen“ mit zwölf auf einem TV-Monitor erscheinenden Philosophen des 20. Jahrhunderts. Sie ist keine feministisch interpretierbare Zeugin dieses schrecklichen Kriegs-Jahrhunderts, das Scheffknecht vor allem mit „Luftschutzkeller“ 1991 im öffentlichen Wiener Raum verortet hat, und wie immer lässt uns die Pionierin österreichischer Medienkunst mit einer völlig offenbleibenden Interpretationsvielfalt allein.

Scheffknecht war die sensible Schwellenfrau, die den Übergang vom Analogen zum Digitalen mit vielen kritischen Beobachtungen großer technischer Veränderungen sichtbar machte. Ihre Analyse des Medialen und seines Wandels für die Kunst blickte auf die dynamischen Prozesse, denen mediale Bilder, übertragen durch Apparate, ausgesetzt sind wie wir ihnen. Es entging ihr nicht, damit Überwachungsarchitekturen („Prison“ 2000) anzuprangern, Institutions- und Marktkritik zu üben („Die Börse, die Zeit, das Geld“ 1994) und mit verschiedenen Medien (neben Video Synthesizer und Beamer, Zeichnungen, Fotos und Fundstücken) auf gesellschaftlichen Wandel („Weltuntergang“ 2010) sowie auf Politik der Weltreligionen zu verweisen.

Dabei ist immer eine große Portion Humor mit im Spiel, nicht nur im Video des Abschieds von der Angewandten 2017 (wo sie dissertierte, sich habilitierte und seit 1986 lehrte, zuletzt seit 2005 als ao. Professorin), auch in der frühen Videoarbeit „Das Konzert“ 1982, in der das Heulen eines Hundes ihr Saxophonspiel begleitet und damit den Sound, Musik, Sprache oder einfaches Rauschen neben der reinen Augenwahrnehmung in den Videos bedeutend macht. Die Künstlerin spielte in der Band „Die gelbe Zone“ und studierte, nach einem Intermezzo als Ausstatterin im innovativen Theater von Conny Hannes Meyer, bei Oswald Oberhuber in Wien an der Angewandten und 1982/84 bei Nam June Paik in Düsseldorf. 1993/94 war sie Professorin in Hamburg, seit 1997 leitete sie das Medienkunstarchiv in Wien und widmete sich ab 1995 neben den „Videomonitorinnenlichträumen“ (Robert Fleck) ihrem zweiten Hauptwerk: „Das Warburgzimmer“.

Neben Marcel Duchamp, Wittgenstein und den französischen Strukturalisten war der Kunstwissenschaftler Aby Warburg für ihre eigenen Gedankenkonserven zur Ideengeschichte wesentlich. Seinen Kasten 118 von 1915/16 zum Thema Krieg und Kunst mit hunderten Karteikarten filmte sie 2006 in London als Kernstück einer großen Installation, wobei sie das Video mit ihrer eigenen Gestensammlung zu großen Gefühlen seit 1995 ergänzte und 2013 im Taxispalais in Innsbruck vorstellte. 2005 – 2008 haben Romana Scheffknecht und die Autorin mit Studierenden der Angewandten und der Universität die Übung „Observation von Ausstellungen im Blick von Kunst und Wissenschaft“ abgehalten, in der sie gerne die böse Provokateurin gab, doch weil auch diese Rolle keine Festzuschreibung war, wird unsere gemeinsame Lehrzeit nun zur glänzenden Konserve im Erinnerungs-Count Down.

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Video: Romana Scheffknecht, Adieu Angewandte, 2017

Mehr Texte von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

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