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Weben was da ist

„Singen, weben, kochen, filmen“ - dies mag durchaus lapidar klingen, ist es auch, dennoch beschreibt der Titel des Beitrags der Herausgeberin Michaela Leutzendorff Pakesch gut, was die Arbeit von Ingrid Wiener ausmacht. “Das Abenteuer zu sein“, lautet der Untertitel und er zeigt ganz wunderbar, dass in dieser Biografie die Verbindung von Kunst und Leben eine untrennbare Einheit ergeben.

Ging es in dem 2019 erschienenen Porträt von Carolin Würfel (--> siehe die artmagazine Buchbesprechung) noch um die „Kunst der Befreiung“ und ließ die Kunst dabei etwas vermissen, so zeigt die eben bei Schlebrügge.Editor erschienenen Monografie, wie bei Wiener ganz selbstverständlich eines ins andere greift oder um bei der von der Künstlerin angewandten Technik zu bleiben: miteinander verwoben ist.

Ingrid Wiener, die die Gobelinweberei in der Höheren Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt für Textilindustrie, kurz „Spengergasse“, erlernt hatte, hat die konzeptionelle Weiterentwicklung dieses Mediums seit den sechziger Jahren konsequent verfolgt. „Mein Plan war, aus dieser altmodischen Kunstform etwas Neues zu machen, unter dem Motto „Malen Kann jeder“. Ging es anfangs gemeinsam mit ihrer Klassenkollegin Waltraud Höllinger alias VALIE EXPORT darum, Hundertwassergemälde ins Textile umzusetzten, so entwickelte sich später mit Dieter Roth ein bis zu dessen Tod währender künstlerischer Austausch, der weit über eine Zusammenarbeit im Sinne eines medialen Transfers von Entwurf zu Gobelin hinausging. Weben als eine der ältesten Kulturtechniken der Welt erfordert viel Zeit und eine ins Detail gerichtete Aufmerksamkeit ohne dabei das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.

Das Buch funktioniert aber ebenso auf der visuellen Ebene. Da gibt es in chronologischer Abfolge die fotografischen Dokumentation von Auftritten, Beteiligungen und Aktionen ebenso wie die Reproduktion der Gobelins in Nah- und Fernsicht. Kombiniert werden diese mit Aufnahmen aus dem dem alltäglichen Umfeld, die zu den Werken inspirieren, sei es nun die Luftaufnahme einer Landschaft oder webenswerte Beiläufigkeiten des Alltagsleben, die einfach da sind: ein Einkaufszettel, ein gegrillter Schinken oder der Kabelsalat in einer Ecke hinter einem Schreibtisch. Schließlich werden zudem den aquarellierten Traumbildern der Künsterin, in denen sie seit ihrer Zeit in Kanada Geträumtes zu bisweilen absurd anmutenden Text/Bild Kombinationen arrangiert viel Platz eingeräumt. Ebenso mehransichtig funktioniert die thematische Ausrichtung der vier Textbeiträge. Nach dem Blick auf das große Ganze des bisherigen künstlerischen Lebens von Ingrid Wiener der Herausgeberin, folgt mit dem Beitrag von Caroline Lillian Schopp eine diskursive Darstellung der Webarbeiten der Künstlerin und mit Birgit Schneiders Text die Nahsicht auf ein einzelnes Werk in allen seinen Aspekten. Martin Prinzhorn schreibt, nachgerade als Quotenmann, über die Traumbilder.

Gemeinsam mit dem ganz buchstäblichen roten Faden der Bindung, der in der Mitte der einzelnen Lagen immer wieder hervorblitzt, ist „Ingrid Wiener – Durch die Kette sehen“ beispielhaft für eine aufmerksam zusammengestellte und gestaltete Künstlermongraphie.

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INGRID WIENER
Durch die Kette sehen
Michaela Leutzendorff Pakesch (Hg.)
Mit Textbeiträgen von Michaela Leutzendorff Pakesch, Martin Prinzhorn, Birgit Schneider, Caroline Lillian Schopp, Ingrid Wiener
Deutsch/Englisch, 192 Seiten, 21 × 27 cm, zahlreiche Abbildungen in Farbe und SW, broschiert
November 2020
ISBN 978-3-903172-71-5
€ 32,00 [A]
€ 31,10 [D]
--> www.schlebruegge.com

Mehr Texte von Daniela Gregori

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