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Andy Warhol Exhibits. A Glittering Alternative: Andy Warhol glitzert im mumok

Die Zeiten sind vorüber, als man auf dem Nachhauseweg vom Büro noch einen kurzen Abstecher ins Museum machen konnte. Vor Corona war das zum Ausklang eine ganz nette Alternative, denn abends war doch meist weniger los – die Touristen fehlten weitgehend, während die Österreicher schon gemütlich daheim beim Essen oder vor dem Fernseher saßen. Da hatte man sozusagen das Museum für sich! Während der letzten Monate war dieses puristische Erlebnis zum Leid der Kulturinstitutionen fast täglich möglich. Ich erinnere mich noch an meinen jüngsten Besuch im mumok. Es war der letzte Mittwoch, bevor die Museen am 3. November schließen mussten. Nach dem Bürotag spazierte ich gegen fünf Uhr ins Museumsquartier, um mir die große Andy Warhol Schau anzusehen. Zielstrebig marschierte ich also hinauf in den zweiten Stock. Viel Zeit blieb nicht, denn seit Corona hat das Museum nur noch bis 18 Uhr geöffnet.

Ich startete also direkt im Raum mit der Andy Warhol Kuh-Tapete, ein Faksimile seines Siebdrucks „Cow (Pink)“ aus 1966. Der Raum spiegelt Warhol als raffinierten Ausstellungskurator wider. Mit nur nur 38 Jahren stellte er 1966 in der bekannten New Yorker Leo Castelli Gallery aus, wo er mit Witz und Ironie die Besucher in einem leeren Raum, der nur mit der Kuh-Tapete ausgekleidet war, empfing. Ein Schock fürs Publikum! Denn wie konnte man nur ein so liebliches Sujet derart kommerzialisieren und es zu einem dekorativen Element eines bürgerlichen Massenprodukts (die Tapete) transformieren. Heutzutage wäre das wahrscheinlich der „Instagram-Raum“ geworden, wo die Besucher vor der Tapete posiert hätten. Den gleichen Gedanken hatten wohl die beiden jungen Schülerinnen, die nach mir den Raum betraten.

Gestört von der poetischen Ruhe eilte ich weiter durch den schmalen Gang ins nächste Zimmer, wo ich in der Ecke schon etwas Glitzerndes erhaschte. Da waren sie also: Andy Warhols viel gehypte Silver Clouds, mit denen die Ausstellung beworben wurde. Nahezu lyrisch verteilten sie sich an der Decke hängend und am Boden liegend durch den Raum. Auf sie hatte ich mich besonders gefreut, denn vorgestellt hatte ich mir einen großen Raum voller silberner Wolken, die man wie Luftballons durch den Raum hätte wirbeln können und an deren Oberflächen sich die Umgebung widergespiegelt hätte. Partizipation war erwünscht, aber doch ging es Andy Warhol damals um die Leere des Raums, welche mit den Silver Clouds verschmelzen sollte. „Wirklich reich ist man, glaube ich, wenn man einen Raum hat. Einen großen leeren Raum. Ich glaube wirklich an leere Räume, obwohl ich als Künstler viel Müll produziere. Ein leerer Raum ist nicht-vergeudeter Raum. Ein vergeudeter Raum ist jeder Raum, in dem Kunst ist.“ (Zitat Andy Warhol, Ausstellungsbegleitheft)

Weiter geht es durch einen wiederum schmäleren Gang in einen der größten Räume der Ausstellung. Linker Hand hängen die „Diamond Dust Shadow(s)“ (Acryl und Siebdruck mit Glasstaub auf Leinwand, 1979/80), die man auf den ersten Blick keinem Andy Warhol zuschreiben würde. Sie entstanden in der Zeit nach den Silver Clouds (1966), als der Künstler die Leere des Raums manifestierte, Gegenstände abstrahierte, sie ungreifbar machte und nur noch die Schatten der Objekte festhielt. Ein durchaus nicht nur in der Philosophie seit der Antike beliebtes Thema, wenn man in der Architektur an Kieslers endlosen Raum, Malewitschs „schwarzes Quadrat“ oder Mark Rothkos auratische Bilder denkt. Inwieweit sich Andy Warhol mit der Thematik beschäftigte, bleibt unklar.

Auch stehen die „Diamond Dust Shadow(s)“ in kaum einer Relation zu Warhols Filmen, über die man sich in dem dunkel gehaltenen, mit Sitzsäcken ausgestatteten Raum einen Überblick verschaffen kann. Wissenswert ist, dass Warhol zu Lebzeiten die wenigsten seiner Filme zeigte bzw. diese bewusst der Öffentlichkeit vorenthielt. Zwischen 1964 und 1966 drehte er ein Konvolut aus knapp 500 Kurzfilmen, wie man über das Ausstellungsbooklet erfährt – in etwa vergleichbar mit der Zahl seiner geschaffenen Grafikserien der 50er. So kann man sich fünf seiner Experimentalfilme („Blow Job“, „Eat“, „Empire“, „Sleep“, „Kiss“), die einfache Handlungen über eine längere Dauer zeigen, gemütlich ansehen. Ein durchaus empfehlenswertes Erlebnis, wenn man sogar diesen Raum für sich alleine hat! Ein weiterer Meilenstein ist sein Film „Chelsea Girls“, der durch die Verwendung einer Doppelprojektion zwei unabhängige Erzählstränge aufweist und schon Mitte der 60er eine positive Rezeption hatte.

Vorbei am „Skull Painting“ (1976), einem Stillleben eines Schädels, das stilistisch Warhols Marilyn Monroe und Mao Porträts ähnelt und „Ladies and Gentlemen“ (1975), das auf die Drag-Kultur anspielt und in Zusammenhang mit den Filmen stark an Warhols Zeitgenossen wie Jack Smith erinnert, geht es in einen Raum, der zur Hommage an Andy Warhol wird. Dieser ist durchaus gelungen, wenn man bedenkt, wie nüchtern und schwer zugänglich moderne und zeitgenössische Kunstausstellungen manchmal sind. Man fühlt sich zurückversetzt in die Ära der 60er und 70er, als in New York lebende Künstler wie Hélio Oiticica innovative und vor allem partizipative Ausstellungskonzepte schufen. „Exploding Plastic Inevitable“ (1966-67) ist ein Raum, an dessen dunklen Wänden sich Filmausschnitte von Tänzern, Performern aus der Underground und Queer Szene überlagern. Verstärkt durch spezielles Licht, eine Diskokugel und Musik werden die verschiedenen Medien in einen Rhythmus gebracht, der zur Überforderung des Besuchers führen soll. Die angekündigte Überforderung bleibt aus. Vielmehr fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt, als würde man durch eine Party in die New Yorker Underground-Szene eintauchen. Noch puristischer wird das Erlebnis, wenn man diesen Raum zur Zeit von Corona wirklich für sich alleine hat und in der Mitte stehend das 360-Grad-Rundum-Panorama genießen kann.

Der nächste Part der Ausstellung spielt auf Andy Warhols Interesse an Serialität und Massenproduktion an. Man bekommt noch ein paar Slow Motion Porträts zu Gesicht und passiert einen Raum, der Warhols explizit für Kinder konzipierte Ausstellung (für die Zürcher Galerie Bruno Bischofberger, 1984) nachahmt. Weiters gibt es im zweiten Stock noch einige Fotografien zu sehen, die Warhol zu Lebzeiten anfertigte und zu kleinen Bildserien kombinierte. Sie spiegeln sein Umfeld wider und reichen von Symbolen amerikanischer Identität, industriellen Waren, Marken bis zu Schnappschüssen aus dem New Yorker Party- und Promileben sowie der Queer -und Schwulenszene.

Eine Hommage an Andy Warhol als Illustrator und Grafiker findet sich unspektakulär präsentiert im Erdgeschoß wieder. Hier wird sein Frühwerk relativ nüchtern und wenig inszeniert breit aufgefächert in Vitrinen und an den Wänden gezeigt. Es sind seine wundervollen Zeichnungen und Illustrationen, für die ich am Donnerstag noch einmal ins Museum kam, nachdem mir die frühe Sperrstunde einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Neben seinen ABC-Büchern mit Porträtzeichnungen finden sich hier einige wenige seiner beeindruckenden, eleganten Schuhillustrationen (z.B. aus der Serie „A la Recherche du Shoe Perdu“) wieder, die er Mitte der 50er Jahre als Illustrator für die Schuhfirma I. Miller anfertige. Für diesen Raum sollte man sich Zeit nehmen, um den unbekannten, faszinierenden Andy, der 1949 von Pittsburgh nach New York kam, kennenzulernen!

Alles in allem eine solide Schau, die fatalerweise Corona zum Opfer fiel und die man sich als Österreicher schon aus einem Grund nicht entgehen lassen sollte: Denn die vorrangig aus dem Andy Warhol Museum in Pittsburgh stammenden Arbeiten werden nicht so bald wieder nach Wien kommen! Die von Marianne Dobner unter dem Titel „ANDY WARHOL EXHIBITS a glittering alternative“ kuratierte Ausstellung warb zwar damit, bisher kaum gezeigte Arbeiten der Pop-Art-Ikone zu präsentieren - einerseits die frühen Zeichnungen (120 Arbeiten), andererseits seine vielfältigen, medienübergreifenden Arbeiten, die Warhol als Ausstellungsmacher und Installationskünstler ausmachen. Das Angekündigte wurde realisiert, aber doch wird hier wieder mehr jener Andy Warhol sichtbar, den wir immer aufs Neue in allen möglichen Museen rund um die Welt bewundern. Hätte man dem Erdgeschoß ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit geschenkt und die Besucher wie im Obergeschoß durch eine eigens kreierte Ausstellungsarchitektur durch die Thematik geführt, so hätte das so selten gezeigte Frühwerk noch besser beleuchtet werden können.

Für uns Kunstkritiker ist ein unvoreingenommener Ausstellungsbesuch ohne Wandtexte Goldes wert, wo wir doch Andy alle zur Genüge kennen, aber doch hätte sich der Normalbesucher vielleicht mit ein bisschen mehr Information an der Wand leichter getan, als im Dunklen nach Informationen im Ausstellungsbegleitheft zu suchen!

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Andy Warhol Exhibits. A Glittering Alternative
25.09.2020 - 30.05.2021

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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