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Jedes Bild ein Pyrrhussieg! Saisonstart in Frankfurt

"Die Messen fehlen schon", gesteht Bärbel Grässlin in ihrer Frankfurter Galerie zum traditionellen Saisonstart. Denn auch die Eröffnung in den eigenen Räumen fällt intimer aus als früher. Das bietet zwar mehr Zeit für intensivere Gespräche, aber eben insgesamt auch weniger Kundenkontakte. Amorph und gestisch-farbig wird der 80-jährige Imi Knoebel in seinem Spätwerk, von dem bei Bärbel Grässlin ein halbes Dutzend Großformate sparsam gehängt sind. Den ungewöhnlich malerischen Bildern bekommt das gut, und bei Preisen von 200.000 bis 230.000 Euro ist die lockere Hängung auch leistbar.

Mehr Risiko wagt bei Grässlins "Filiale" für junge Kunst mit der ersten Ausstellung des 1996 geborenen Robin Strenz. In der formal schlicht wirkenden, inhaltlich jedoch komplexen Multimedia-Installation geht der Rehberger-Schüler dem Phänomen der vermeintlichen Tode von Stars nach und der Frage, was die sich daraus bildenden Mythen über Wünsche und Sehnsüchte der Menschen aussagen. Der eigens gebaute Raum inklusive Equipment kostet als Installation 14.000 Euro, das Video allein in einer 5er Auflage die Hälfte.

Zwei Künstlergenerationen weiter beschäftigt sich Johannes Franzen in der Galerie Lothar Albrecht damit, wie Künstliche Intelligenz das Erzeugen von Bildern lernt. Er lässt dafür zwei Maschinen gegen- und miteinander antreten. Die eine ist als Kontrollinstanz mit einem Bilderfundus ausgestattet, der häufig für die Entwicklung von Bilderkennungssoftware benutzt wird. Die andere Maschine ist zunächst einmal dumm und produziert das, was sie für Bilder hält, die dann der anderen zur Beurteilung übergeben werden. Aus dem Feedback der akzeptierten und abgelehnten Bilder lernt die „kreative“ Maschine, ihre Produktion so anzupassen, dass die Ergebnisse akzeptiert werden. Für das menschliche Auge wirken diese „Bilder“ allerdings nur von Ferne und auf den ersten Blick wie der Lebenswirklichkeit nachempfundene Bilder; bei näherer Betrachtung lösen sie sich in zumeist biomorphe, landschaftsähnliche oder irgendwie technoid wirkende Pixelhaufen auf. Tafeln mit jeweils 216 dieser unikaten Objekte kosten je 10.000 Euro.

Die Achse Frankfurt-Berlin hat Anita Beckers mit der dortigen Galerie Kornfeld eingerichtet. Die gemeinsame Gruppenausstellung kommt an: „Ich bin total überrascht, dass so viele Leute in die Galerie kommen und dass wir schon verkauft haben“, freut sich Beckers. Am überraschendsten ist wohl, dass die ausnahmslos privaten Kunden auch vor relativ teurer Medienkunst nicht zurückschrecken ­– so hat eine sehr schräge Videoanimation von Federico Solmi für 22.000 Dollar einen Interessenten gefunden.

Skurril und ein bisschen surreal sind die Bildwelten, die Philipp Kummer bei Andreas Greulich entwirft. Humor sollten Sammler schon haben, die in die eigentümlichen Gemälde 900 bis 13.000 Euro investieren, denn: „Jedes Bild ein Pyrrhussieg!“, so der Maler in einem Interview.

Der auf Pop Art spezialisierte Kölner Klaus Benden hat schräg gegenüber auf der an Galerien ohnehin reichen Fahrgasse ein Pop Up für vier Tage eingerichtet, in dem er einen Querschnitt des Programms in einer Preisspanne von 900 bis 250.000 Euro präsentiert. Die Verkäufe, zwei davon an neue Kunden, belohnen das Experiment.

Mit dem allmählichen Anlaufen des Ausstellungsbetriebs nach dem Lockdown zeigt sich, dass die erzwungene Entschleunigung nicht nur negative Aspekte hat. Auch ohne Messe-Hopping gibt es einen Kunstmarkt, und Zeit für Gespräche hat man auch mehr. Ob allein lokale Kaufkraft für den Galeriebetrieb ausreicht, wird sich wohl schon bald erweisen.

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--> Website zum Saisonstart

Mehr Texte von Stefan Kobel

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