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Alles war klar: Mia san mia, oder der verlorene Diskurs

Nun ist sie also zurück in ihrem angestammten Haus, die Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs. Fort ist der Charme des alten Künstlerhauses, das Marode, Unfertige und immer wieder Geflickte. Das Obergeschoß des 1868 fertig gestellten Gebäudes spielt jetzt alle Stückerln, die man sich von einer zeitgenössischen Kunstinstitution erwarten kann: Klimakontrolle, neuer Veranstaltungsraum (die Factory) mit Bild-, Licht- und Tonanlage, Alarmsystem, automatische Türen, u.s.w. Die Top-Ausstattung ist dem neuen Mitbesitzer Hans Peter Haselsteiner geschuldet, der das Haus in zeitgemäßem Museumsstandard mit seinem Baukonzern STRABAG saniert und im Erdgeschoß die Albertina eingeladen hat, die jüngere österreichische Kunstgeschichte von 1945 bis 1985 vorwiegend aus den Beständen der Schenkung der Sammlung Essl auszustellen. Dieser Teil wird ab dem 13. März für das Publikum zugänglich sein.

Zur Wiedereröffnung hat der scheidende künstlerische Leiter Tim Voss mit dem ambivalenten Titel Alles war Klar eine Ausstellung über und für das Künstlerhaus und besonders für die Mitglieder der Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs kuratiert. Voss, der seit 2018 für das Programm des Künstlerhauses in seinem Ausweichquartier im 5. Wiener Gemeindebezirk verantwortlich war, hat mit dem Programmausschuss auch die Ausstellungen der kommenden zwei Jahre am Karlsplatz konzipiert. Ende 2019 entschied er sich dafür, die Zusammenarbeit mit der Rückübersiedlung zu beenden, betont jedoch, dass sein Rückzug nicht im Streit sondern in gutem Einvernehmen geschehen sei. Auch in der Partnerschaft mit der Albertina Modern im Erdgeschoß sieht Voss eine Chance, „wenn die Vereinigung sich auf die Stärken der Präsenz von Kunstproduktion mit unkonventionellen Mitteln und Inhalten in den Ausstellungen besinnt“.
In seiner Eröffnungsschau reisst Voss einige Möglichkeiten eines zukünftigen Ausstellungsprogramms an, das sich sowohl mit der Geschichte des Hauses und des Vereins, wie auch mit aktuellen Themen der Zivilgesellschaft auseinandersetzen kann und soll. Gerade die Bildung von Allianzen mit anderen Gruppierungen der Zivilgesellschaft stellte auch Martin Fritz in seiner Festrede als Zukunftsvision in den Raum.

Alles war klar bietet viel Raum für Assoziationen über die Verknüpfungen des Künstlerhauses mit der Stadt, auch wenn etwa Thomas Baldischwyler im großen zentralen Ausstellungsraum diese so sehr mit seiner eigenen Auseinandersetzung mit der Wiener Kulturgeschichte verknüpft, dass die Bezüge letztendlich vage bis beliebig erscheinen. Da bezieht die Intervention von Max Schaffer schon klarer Stellung. Im Jahr 2012 hat sich Schaffer ausrangierte Lüftungsrohre der Secession von der damaligen Baustelle „angeeignet“. Im neuen Künstlerhaus entfalten diese mit der Abluft vieler Secessions-Ausstellungen gefüllten Elemente den alten Trennungsschmerz, der für das Künstlerhaus offenbar bis heute zur Erzählung gehört, während die Secession sich längst nicht mehr über die 1897 stattgefundene Trennung vom Künstlerhaus identifiziert. Nicht ganz so klar sind die Bezüge bei Anna Ingardens Rauminszenierung „The Lounge“ im ersten Eckzimmer links. Der durch Teppichboden und Stühle in grelles Gelb getauchte Raum beherbergt ein von der Decke hängendes Gestänge, von dem Karamell auf Boden und Möblierung tropft. Die eindrückliche Inszenierung der jungen Künstlerin verweist letztendlich auf fluide Identitätszuschreibungen zwischen Objekt und Subjekt, was vielleicht in einer zuküftigen Ausstellung näher beleuchtet werden kann.
In der weiteren Raumabfolge die übrigens im Gegenuhrzeigersinn begangen werden sollte, spannt Cäcilia Brown eine lose Verbindung zwischen dem Künstlerhaus, dem U-Bahn-Knoten Karlsplatz und dem Wiener Untergrund, der zu großen Teilen aus Ton besteht, während Anna Artaker ein Detail einer Ausstellung aus dem Jahr 1931 re-inszeniert. „Blume und Plastik“ zeigte damals, gestaltet von Otto Prutscher und Franz Matuschek, im gesamten Künstlerhaus eine Abfolge von Inszenierungen aus kleinen Gartenanlagen, Aquarien, Terrarien und Skulpturen. Das in Artakers Installation eingebaute Terrarium wird übrigens vom selben Auaristik- und Terraristik-Verein betreut, wie schon die Ausstellung 1931. Mit den Objekten von Toni Schmale zieht eine wichtige Repräsentantin der queeren Kunstszene Wiens in das Künstlerhaus ein, gemeinsam mit Michaela Eichwald, einer der aktuell angesagtesten Malerinnen Deutschlands.

Eine Referenz auf die Zeit der Renovierung und die vielen kooperativen Projekte im Ersatzquartier im fünften Wiener Gemeindebezirk, bietet die Rauminszenierung der Wiener Perspektive, einer Plattform darstellender Künstler*innen der freien Szene Wiens. Sie setzen sich mit ihrer Initiative ARTIST COMMONS für mehr Probemöglichkeiten, auch in Institutionen für bildende Kunst ein. Ein Beitrag zur wichtigen Allianzenbildung außerhalb des unmittelbaren Umfelds der bildenden Kunst. Den letzten Raum, das erste Eckzimmer rechts, belegt Adam Kraft mit seiner Dokumentation einer Intervention im öffentlichen Raum. Kraft hat in einer Baubrache Wiens einen geheimen Raum angelegt, etwas, das er zuvor schon ein einigen europäischen Städten realisiert hatte. Mit einem zentralen Postschlüssel verschaffte er sich dann Zugang zu den Postfächern von dreitausend Wiener Haushalten, die er mit einer Dokumentation seiner Aktion bestückte. Sie enthielt auch eine Einladung, den Raum im Stadgebiet ausfindig zu machen und mittels eines selbst gefertigten Schlüssels auch wirklich zu betreten.

Vor Krafts Dokumentationsraum liegt noch die Seitengalerie rechts, die Tim Voss den Mitgliedern des Künstlerhauses überlassen hat - oder vielleicht überlassen musste. An einer sich langsam bewegenden Umlaufbahn hängen da Werke unterschiedlichen Datums von 20 Mitgliedern der Gesellschaft. Man sie an sich vorbeiziehen lassen oder abschreiten. Dieser Raum offenbart die ganze Problematik des Vereins, an dem schon beinahe die Renovierung gescheitert war und die wohl auch zum Rückzug von Tim Voss als künstlerischer Leiter geführt hat. Als Ausstellungshaus der Gesellschaft vor mehr als 150 Jahren gegründet, wird das Künstlerhaus von vielen Mitgliedern immer noch als vorwiegend ihnen selbst vorbehalten gesehen. Nichts in diesem Raum deutet auf den Diskurs hin, der vor den Toren des Hauses aktuell geführt wird, auf die Brisanz künstlerischer Produktion in gesellschaftlich unruhigen Zeiten. Der Raum erweckt den Eindruck, als wollte sich die Künstlerschaft selbst so lange ausstellen, bis die Aufnahme in den Kanon der im Erdgeschoß präsentierten Auswahl des zu Musealisierenden geschafft sei.

Man kann die von Tim Voss getroffene Auswahl diskutieren und die Relevanz der ausgewählten Werke für die lange ersehnte Ausstellung zur Wiedereröffnung hinterfragen. Die Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs kann sich aber nicht unbeeinflusst von einer aktuellen Kunstpraxis auf eine Bedeutsamkeit zurückziehen, die sich alleine auf eine Mitgliedschaft begründet. Das jedenfalls ist klar.

Mehr Texte von Werner Remm

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Alles war klar
07.03 - 01.11.2020

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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