Werbung
,

Make Architecture Classical Again

Donald Trump und das ästhetische Reinheitsgebot

Die Kapitelle sind vergoldet. Den Zahnschnitt des Portikus ziert ein Dreiecksgiebel. Er ist schlicht und tagsüber blendend weiß. Statt mit einem Figurenprogramm ist er in der Mitte mit einer Uhr versehen. Der Erbauer ist ein Amateur der Architektur doch nicht in staatsmännischen Geschäften. Es ist Thomas Jefferson, der dritte amerikanische Präsident und legendäre Verfasser der Unabhängigkeitserklärung. Er plant und errichtet die Rotunde der University of Virginia 1822-26 nach transatlantischem Vorbild. Da spielen Stile, Wertvorstellungen und Kulturtransfers zusammen, die Ursprünge der Demokratie in Athen, das republikanische Rom in der Figur des Pantheon, der Palladianismus in England, sowie die Neugründung eines Staates auf der Basis der “Vernunft”.

Kunsthistorisch ist der Klassizismus immer zweierlei. Erstens eine Epoche, die in Europas Architektur ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts beginnt und bis in das frühe 19. Jahrhundert andauert. Sie ist durch eine Rückwendung auf die Antike bestimmt, retrospektiv und historistisch. Zweitens eine Haltung, die die Formenwelt des Altertums zur unübertroffenen Größe erhebt und als Idealvorstellung für immerwährend erklärt. Sie ist geschichtsfern, programmatisch und normativ.

Manchmal kommen die beiden Stränge in eine Engführung. Weil das Epos der Staatsgründung mit den Geschmacksvorlieben der Epoche zusammenfällt, wird in den Vereinigten Staaten die klassizistische Architektur zum Inbegriff staatlicher Repräsentation. Man denke nicht nur an Jeffersons Rotunde, sondern auch an das Kapitol, das als protzendes Siegeszeichen triumphierend über den Sümpfen Washingtons thront. Amerika ist bei der Erweiterung des Bauwerks zur Mitte des 19. Jahrhunderts bereits groß geworden. Um es noch größer zu machen, hegt der derzeitige Präsident die Absicht, für alle Regierungsgebäude (> 50 Millionen $) den Klassizismus als Stil bindend vorzusehen. Beim ersten Lesen klingt es wie ein Witz. Säulen, Kapitelle und Portale im 21. Jahrhundert. Dieser bizarre Erlass der Trump-Administration meint sich in einer legendären Tradition und verneint jede Entwicklung, weist die schöpferischen Leistungen (und Anforderungen) der Gegenwart zurück und fordert nicht zuletzt eine kulturelle Erstarrung.

Trump Tower

Dabei ist Trump – zumindest in seiner Zeit als Immobilien-Investor – kein Advokat des Klassischen. Der Trump Tower wurde 1983 von einem Schüler von Philip Johnson errichtet. Das Atrium leuchtet wie eine Kassette in Gold. Davor findet sich eine Uhr im Stile des 19. Jahrhunderts. Sonst ist das Haus geprägt von der funktionalistischen Glasarchitektur der Zeit. Diese aber sei vorbei, genauso wie die Moderne, so meint eine Verteidigerin des Erlasses im »Wall Street Journal«. Der Individualismus (! sic) der Gegenwart erfordere eine andere Architektur. Über Mies’ Seagram Building, ein Hauptwerk der Moderne, meint sie abfällig: “Sie sehen ein identisches Büro nach dem anderen übereinander gestapelt, mit den gleichen Vorhängen und Möbeln, als wäre jeder Bewohner ein austauschbares Zahnrad einer riesigen Maschine, die ihn zum Zwerg macht.” (Myron Magnet, 6. Feb. 2020) Der Klassizismus hebt die Entfremdung und Unmündigkeit auf. Stimmt das? Wirken da nicht andere Interessen? Zum Beispiel die Idee, wirtschaftlichen Eigensinn in die Kultur zu tragen? Oder die Diversität des Landes und seiner Geschichte bewusst herausfordernd zu missachten? Und nicht zuletzt erinnert diese Argumentation an eine Denke, die fast alle autokratisch Herrschsüchtigen trieb, nämlich den eigenen Denkmalkult über den Klassizismus zu begründen. Als ästhetisches Reinheitsgebot ist er ideologisch leicht zu besetzen. Von seiner Historie entbunden, wird er schnell gefährlich. Das zeigt gerade das 20. Jahrhundert. Wo bleibt die von Jefferson geforderte Vernunft? Es ist zu hoffen, dass dieser Unsinn von einem Erlass noch rechtzeitig außer Kraft gesetzt wird, bevor er in Kraft tritt.

Abb oben: Thomas Jefferson: Rotunde, University of Virginia, 1822-1826 (Courtesy University of Virginia)

Abb: Der Scutt: Trump Tower, New York, 1983

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: