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Galerien schlagen Alarm

Eine Umfrage unter Berliner Galerien fördert Erschütterndes zutage.

Unabdingbar ist der feste Ausstellungsraum für Galeristen. Zumindest haben dies 90 Prozent der vom Landesverband Berliner Galerien LVBG befragten rund 340 Kolleg*innen zu Protokoll gegeben, die den Fragebogen zurückgeschickt haben. Das war immerhin mehr als die Hälfte von ihnen. Der Rücklauf ist außergewöhnlich hoch; branchenüblich - etwa bei den Studien der Tefaf oder der Art Basel - sind Antwortquoten im einstelligen Prozentbereich. Die Berliner Untersuchung darf also durchaus als repräsentativ gelten.

Erschüttern muss der Befund, dass 84 Prozent der Galeristen mit ihrem heutigen Wissen keine Galerie mehr gründen würden. Woran liegt es bloß, dass trotz dieses deprimierenden Stimmungsbildes praktisch alle Akteure an dem überkommenen Modell des stationären Handels so vehement festhalten?

Vielleicht liegt die große Frustration an spezifischen Berliner Faktoren. Der bekannt schwache Markt in der deutschen Hauptstadt mag einer sein. Dabei ist die Käuferseite wahrscheinlich gar nicht mal schlechter als anderswo. Denn die berühmten rheinischen und südwestdeutschen Sammler, die den deutschen Kunstmarkt tragen, sind längst dauerhaft oder zumindest mit einer Zweitwohnung in Berlin; einige von ihnen betreiben dort einen Showroom. Doch kaufen die profilierten Sammler dann vielleicht eher in London oder New York oder eben im Rheinland.

Hinzu kommt ein Standortnachteil, den sich die Berliner mit allen deutschen Marktteilnehmern teilen: eine gewisse Feindseligkeit des Gesetzgebers. Mehrwertsteuer, Folgerecht, Künstlersozialkasse und Kulturgutschutzgesetz bilden eine ungute Melange aus fiskalischen und regulatorischen Erschwernissen, die den Beruf des Galeristen unattraktiv machen, es sei denn als teures Hobby.

Das eigentliche Problem dürfte aber das Fehlen von sammelnden Institutionen für Zeitgenössische Kunst sein. Anders als andere Metropolen leistet sich die deutsche Hauptstadt bestenfalls schöne Hüllen. Das Humboldt Forum ist wohl bisher das schlagendste Beispiel für einen spezifisch Berliner Größenwahn gepaart mit einer bräsigen Wurstigkeit, die bisher noch jedes Großprojekt zur Farce haben werden lassen. Das Pergamon-Museum ist ebenfalls noch in unguter Erinnerung.

Schon der ehemalige Oberbürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit hatte mit der Schnapsidee einer Kunsthalle schräg gegenüber dem Hauptbahnhof für 200 Millionen Euro mit einem Etat von Null überrascht. Die nachfolgenden Regierungen - sei es im Bund oder im Land - machen es nicht viel besser. Der als Lidl-Halle verspottete Museumsentwurf von Herzog de Meuron hat schon vor Auftragserteilung eine Verdreifachung der Kosten auf 600 Millionen hingelegt. Gefüllt werden soll der Schuppen mit Schenkungen, etwa von Gerhard Richter oder der Sammlung Marx. Die Rieck-Hallen neben dem Hamburger Bahnhof hat man derweil aus der Hand gegeben. Hauptsache groß, neu, teuer. Inhalt egal. Um die zeitgenössische Kunst sollen sich andere kümmern. Man hält in Berlin viel auf Tradition und baut Sarkophage für Vergangenes. Doch Tradition ist das Weitertragen der Flamme, nicht die Anbetung der Asche.

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Abbildung: Galerie König in St. Agnes: Foto Courtesy Brandlhuber & Riegler Riewe

Mehr Texte von Stefan Kobel

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