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Paul Klee / Roland Kollnitz - Balance: Fragiles Gleichgewicht

Für Paul Klee war die Figur des Seiltänzers eine Metapher des künstlerischen Arbeitens. Die Figur steht für Beweglichkeit, Labilität und Balance, Eigenschaften, die Klee auch in seiner Lehre vom Gleichgewicht in seinen Vorlesungen zur Gestaltung am Bauhaus thematisiert. Die aquarellierte Zeichnung „Der Seiltänzer“, geschaffen 1923 für die Bauhaus-Mappe „Kunst der Gegenwart“, ist Ausgangspunkt der Ausstellung von Roland Kollnitz in der Wiener Dependance von Beck & Eggeling.

Für die Ausstellung hat Roland Kollnitz zuallererst die Altbauwohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk von den Attributen der Kunsthandlung befreit: Das Bücherregal gleich beim Eingang wurde geleert und die Fachböden neu arrangiert, die Garderobe musste dem „Spiegelstück“ weichen, einem schwarzen Marmorglas durch eine Holzlatte und textilem Band an die Wand gebracht sowie zwei gelehnten Bambusstäben, die den Weg weiter in die Galerieräume vorgeben („Entrée“). Der schmale Gang wird akzentuiert von einer langen grünen Latte, die waagerecht an der Wand gefährlich auf der Kante balanciert, gehalten nur von zwei Nägeln und einem in das Holz gebohrten Pinsel - eine kleine Reverenz an den Maler Klee („Wandstück mit Pinsel“).

Im ersten Raum hängt sie dann, die Lithographie von Paul Klee, das Seil gespannt auf einer im Raum schwebenden, fragilen Gerüststruktur, der Seiltänzer darüber, in einer Art Zwischenreich. Das Werk ist nicht speziell beleuchtet, denn Roland Kollnitz hat die Scheinwerfer aus den Lichtschienen genommen, zwei Lichtarbeiten erhellen das diffuse Tageslicht, das durch die geschlossenen weißen Vorhänge in den Raum dringt. Die Doppelflügeltür steht offen, in ihrer Stellung blockiert von „giallo con luce“, einer Konstuktion aus Holz, Aluminium und großer Glühbirne, die auf den Türflügeln liegt. Eine Veränderung der Türflügel brächte das Werk sofort zum Einsturz. Ein Klaviergurt auf dem Boden weist den Weg in den nächsten Raum, wo er dann aufsteigt, sich über eine labil scheinende Konstruktion aus einem Beistelltischchen mit schwarzem Glas und einem auf drei Beinen ruhenden Stab legt, um dann über einem weiteren, eine Doppeltür offen haltenden Stab auszulaufen („Balance“).


„Illumination“, ein mehr als 7 m langer schlanker Lichtbalken liegt hier auf den abgehängten Lichtschienen und einem querlaufendem Bambusstab auf, wie auf einem Sockel. Kein Punktlicht erhellt die üblicherweise an den Wänden hängenden Kunstwerke, dagegen öffnet ein großflächiger verzerrender Spiegel aus Polysterol den Raum („Schwindel“) und versetzt Betrachter*innen in eine unsichere Balance. An der gegenüber liegenden Wand findet man wieder Halt in „Gedanke und Reflex“ einem kleinen gerahmten Marmorglas.

An der Zentralen Wand befindet sich die Arbeit „Bibliothek“. Ein dreiecksförmiges Wandregal, auf der ansonsten Ausstellungstext und Kataloge präsentiert werden, trägt eine minimalistische Figur aus zwei gekrümmten Rundstäben, die an einem langen vernickelten Stahlnagel ihren Halt findet. Daneben die Publikation „Paul Klee. Die Kunst des Sichtbarmachens“, 2000, und Paul Klees „Pädagogisches Skizzenbuch“, 1925 mit Materialien zum Unterricht aus seiner Zeit als Lehrer am Bauhaus.

Roland Kollnitz versetzt die klassischen Präsentationsräume der Kunsthandlung in eine labile Schwingung, so wie ein Seil schwingt, kurz bevor der Seiltänzer endgültig den Halt verliert und stürzt. Seine Objekte sind allesamt aus vorgefundenen Materialien, aber keine klassischen Readymades, sondern „Halbzeug“, also Werkstoffe, die Ausgangspunkt für eine weitere Bearbeitung sind. So wie Klee den „Seiltänzer“ als Metapher für den Balanceakt des Künstler-Seins gesehen hat, hinterfragt Kollnitz in dieser Intervention den Akt der Gestaltung sowohl des Kunstwerks als auch des Ausstellens. Es obliegt den Betrachter*innen, sich aufs Seil zu wagen.

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Anmerkung: Die Ausstellung wurde verlängert.
Die Galerie ist am 7. November von 14.00 - 18.00 geöffnet, der Künstler ist anwesend.

Das artmagazine hat im Rahmen seiner Skulptureneditionen das "Sammlerstück" von Roland Kollnitz herausgegeben.
Mer Informationen dazu -->finden Sie hier.

 

Mehr Texte von Werner Remm

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Paul Klee / Roland Kollnitz - Balance
19.09 - 07.11.2019

Beck & Eggeling
1040 Wien, Margaretenstraße 5/19
Tel: +43 1 581 19 56, Fax: + 43 1 581 1956 89
Email: info@beck-eggeling.at
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