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Martin Gostner - All I see I cover: Des Österreichers Leib- und Magenbefindlichkeit

Alles, was er sieht, wird überzogen. Und so lesen sich die Materialangaben zu \"dicke Aura Heimat\", der dreiteiligen Arbeit, die Martin Gostner im Studio der Neuen Galerie aufgestellt hat, sehr einschlägig: \"Ei, Brösel, Öl, Konservierungsmittel auf Holz\". Die drei Teile, das sind ein Tisch und zwei Bänke, wie man sie vom Heurigen kennt. Ei, Brösel, Öl, das sind wiederum die drei Teile, die man nehme, um zu einer ordentlichen Panier zu kommen. Als Ensemble ist es schließlich ein brachialer Verweis auf des Österreichers Leib- und Magenbefindlichkeit: Eine buchstäbliche Schnitzelbank. Alles, was er sieht, wird überzogen. Und so haben die Fenster im Treppenhaus der Neuen Galerie eine Schicht aus Farbe verpaßt bekommen, einen Eingriff in die Transparenz, der sich als Schriftzug darbietet. Jeder einzelnen der vielen Scheiben ist die Vokabel \"Häute\" appliziert. Einst hat Martin Gostner, 1957 in Innsbruck geboren, mit Etiketten gearbeitet und ihnen per Schreibmaschine ein Wort aufgeprägt. Nun, zehn Jahre später und vom damaligen Wohnsitz Köln ins Tirolerische zurückgekehrt, bemüht Gostner das Prinzip Kunst am Bau: Was damals auf der Klebefolie stand, prangt jetzt auf dem Fensterglas; zugleich hat es die Dimension gewechselt; und der Titel zielt aufs Eindeutige. Er lautet \"Niederschlag von Volksreden\". Seit einigen Jahren arbeitet sich Gostner an der österreichischen Hiesigkeit ab, und er weiß, daß diese Mentalität an seinem Schaffen nicht vorbeigeht. Für die Aura, mit der er spielt, weil er Kunst macht, ist sowieso nichts anderes zuständig als die Bratpfanne. Und das Medium, in dem Oberfläche und Dahintersinn zusammenstimmen, ist immer schon angeschlagen vom Volksgerede; der Hauch am Fenster kommt vom Mundgeruch. Die Kunst und ihre Mittel sind bei Gostner immer schon kontaminiert; sie sind so wenig neutral wie das Land, das sie umkreisen. Gostner ist einer der kritischen Geister in Österreichs Kunstlandschaft, und er formuliert sein Befremden durchweg mit leisen Tönen. Distanz zu artikulieren heißt zugleich, das Objekt der Distanzierung detailliert ins Auge zu fassen. Deswegen ist Österreich auch bis zum Narzißmus präsent. In diesem Sinn und nur in diesem hätte die Panier allerdings appetitlicher ausfallen müssen. So, wie sie jetzt daliegt, bretthart und ausgemergelt, mag man sich nicht vorstellen, sie zwischen den Zähnen zu haben. Doch gerade die Zähne soll man sich daran ja ausbeissen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Martin Gostner - All I see I cover
07.10 - 25.11.2001

Neue Galerie Graz am Landesmuseum Joanneum
8010 Graz, Sackstrasse 16
Tel: +43 316 82 91 55, Fax: +43 316 81 54 01
Email: post@neuegalerie.stmk.gv.at
http://www.neuegalerie.at
Öffnungszeiten: Mo-Sa 9-18, So 9-12 h


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