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Hans Op de Beeck - The Cliff: Dunkelgraue Träume

Stellen Psychologen nicht die klassische Frage: Träumen Sie in Farbe oder in Schwarz-Weiß?

Nach Untersuchungen von Eva Murzyn, die an der Universität von Dundee Versuchsreihen durchgeführt hat, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Farbwahrnehmung im Traum davon abhängt, ob man mit einem Schwarz-Weiß-Fernseher oder mit einem Farbfernseher aufgewachsen ist. Diese Frage sollte man auch Hans op de Beeck stellen.

Man kennt den Ansatz und weiß, daß der 1969 in Belgien geborene Regisseur, Choreograph, Kurator, Bühnenbildner, Maler und Bildhauer die Realität nicht simulieren, sondern sie vielmehr interpretieren möchte, indem er fiktive Umgebungen erschafft, in denen man das Echo der Realität wahrnehmen kann. Die Ausstellung The Cliff, die nach einem der Hauptwerke der Ausstellung in der Kunsthalle Krems betitelt ist, wurde vom Künstler selbst kuratiert. Sämtliche Kunstwerke, von denen einige eigens für Krems produziert wurden, entstanden allesamt im Studio in Brüssel.

Die Bildwelten - ausgeführt im Maßstab 1:1 - führen durch eine semi-reale Welt. Imaginationen geben Stille und Zeitlosigkeit, oft entrückt einer räumlichen Umgebung, wider.
Die in grau gefassten Environments nehmen mit den Aquarellen und Filmen immer wieder gegenseitig aufeinander Bezug.

Die zentrale Arbeit My bed a raft, the room the sea, and then I laughed some gloom in me (2019) mit Driftmusik im Hintergrund bespielt den ersten Raum. Auf einem Floß schwebend schläft ein Mädchen, das von die Vergänglichkeit symbolisierenden Schmetterlingen umringt ist. Neben Büchern, Süssigkeiten, einer Taschenlampe und einem Glas Wasser liegen auch Schlaftabletten neben dem Bett. Die graue, aus Polyester, Schaumstoff, Stahl, Polyamid, Epoxidharz und Holz gebaute Installation ist 4 m lang und breit und holt den Betrachter in die Traumwelt des Mädchens, ohne dass dieser direkt in die Szenerie treten kann - es ist eine distanzierte Beobachtung.
Und wer sieht so genau hin, dass er die auf den dünnen Armen schwach erkennbaren Nadeleinstiche wahrnimmt.

Die monumentale skulpturale Installation The Cliff (2019) zeigt ein Teenager-Pärchen, das zaghaft Hände haltend auf einem Felsvorsprung sitzt. Das Mädchen starrt mit leerem Blick in die Ferne. Was sucht sie? Der Junge ist ganz darauf konzentriert, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen. Es ist ein Bild idealisierter, aber auch unerfahrener und unsicherer junger Liebe, voller Unschuld und Erwartungen. Die Geschichte der Jugend, des Aufwachsens, wird als eine Art Verzauberung dargestellt. In diese Gefühlswelt gilt es einzutauchen. Oder sehen wir uns als Betrachter auch selbst - in der Vergangenheit?
Das von Hans Op de Beeck bewusst eingesetzte Schlaglicht verwischt die Realität und unsere Gedankenkonstrukte.

In der Säulenhalle, im Obergeschoß werden sieben Videoarbeiten gezeigt. Als Stream der Aquarellarbeiten, die ebenfalls ausgestellt werden, läuft der 19 Minuten lange und von Musik begleitete Streifen Night Time (2015) ab. Landschaften, Großstadtinterieurs, Gegenstände und Figuren im Dunkel der Nacht werden vom Künstler zum Leben erweckt. Perspektiven und Umgebungen wirken nicht nur düster sondern sind irreal. Es sind Anknüpfungen an die Methoden der Filme der 1940er und 1950er Jahre, die mit den schwarz-weißen Kontrasten spielten und beim Betrachter Gefühle hervorrufen konnten.

Basis dieser filmischen Arbeit sind die seit 2009 entstandenen Aquarelle. Diese sind bis zu fünf Meter breit und fangen mit ihren extrem tiefen Kontrastübergängen auf den Oberflächen die Aufmerksamkeit der Besucher. Das tiefste Schwarz unterbrechen weiße lichtblitzartige Aussparungen - gleich den Nocturne-Darstellungen früherer Meister.

In Lounge (with paintings) aus dem Jahr 2011 findet sich jenes Sofa wieder, welches zentral für Sleeping Girl (2017) ist – ein auf einem Chesterfield-Sofa embryogleich schlafendes Mädchen.

In Lounge (with paintings) ist das Sofa leer, doch Vorhänge (Bühne?) und Raumstaffelungen schließen an die Videos und Theaterlandschaften an. Neben den Gemälden an der Wand, die eine Meeres-, eine Berg- und eine De Stijl-Landschaft wiedergeben, perfektioniert die Spiegelung der Szenerie im scheinbar glänzenden Fußboden den dreidimensionalen Effekt.
Und da ist man wohl auch wieder dort, was Hans Op de Beeck an der Art Unlimited / Basel 2016 gezeigt hat - The Collector´s House.

Realität oder Traum? Auf jeden Fall eine sehenswerte Ausstellung, in der auch noch Tatiana (2017), ein Seifenblasen pustendes Mädchen zu sehen ist. Das Material, aus dem Träume entstehen - aus den Händen und der Fantasie des belgischen Künstlers, der gerne nachts arbeitet.

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Von 15. März bis 20. April 2019 zeigt die Galerie Krinzinger begleitend die Ausstellung "Hans Op de Beeck - The Conversation"

Mehr Texte von Iris Stöckl

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Hans Op de Beeck - The Cliff
03.03 - 23.06.2019

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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