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Nida Sinnokrot - Expand Extract Repent Repeat: Konzeptionell-poetisches Agit-Pop

Die Ästhetik des palästinensisch-amerikanischen Künstlers und Filmemachers Nida Sinnokrot entwickelt sich aus einem wohlkalkulierten Mix aus Strategien vor allem der Konzept und Pop Art, cineastischer Methoden und linguistischer Überlegungen. Ein gutes Beispiel hierfür ist in seiner überzeugenden Ausstellung „Expand Extract Repent Repeat“ seine Installation „Jonah's Whale“, 2014,: Da steht ein Schiffscontainer im Hauptraum der Galerie carlier / gebauer, der erst als Wohnwagen für israelische Siedler, dann als Büro auf einem palästinensischen Baugelände gedient hat. Sinnokrot hat dieses Readymade in 11 Scheiben zersägt, legt so nicht nur Schicht für Schicht die Materialität des Schiffscontainers frei, sondern dem Künstler gelingt mit diesen (Film)Schnitten zudem ein drittes Kapitel der Erzählung des Containers zu beginnen, ein Kapitel, das durch den Titel der Arbeit ihre narrativ-biblische Dimension bekommt: Der Container als Symbol für den globalen Welthandel wird von israelischen Siedlern ebenso als temporärer Wohnraum genutzt wie anschließend von Palästinensern – und die Fragen nach Schuld und Verrat wollen nicht verstummen. Der Container als zuvor mobiles Objekt zeigt sich in „Jonah's Whale“ zudem stillgestellt und lässt so nicht von ungefähr an das Schicksal der einst nomadisch lebenden Beduinen in israelischen Wüste Negew denken.

Auch das Objekt „Ya Ghanamati (Billboard no. 02)“, 2014, erzählt von der spannungsgeladenen Gegenwart im Westjordanland. Sinnokrot greift wieder auf ein Readymade zurück und, ganz im Sinne Bertolt Brechts, verfremdet dieses kritisch. Ein elektrisch betriebenes, sogenanntes „Dreilamellenbillboard“ hat der Künstler hier an die Wand gehängt, statt Werbebotschaften aber werden beim Umklappen der Lamellen Teile eines Schaffells sichtbar. Das von Sinnokrot so gleichsam folkloristisch aufgeladene Billboard wird im Westjordanland eigentlich dazu genutzt, für Immobilien zu werben, mit denen das Land und ihre Bewohner eingebunden werden sollen in das kapitalistische System der Immobilienspekulation. Der Kontrast von beiden Lebensweisen, für die Schaf und Immobilie symbolisch stehen, macht das kritische Potenzial dieser leisen, aber umso eindringlicheren Arbeit aus.

Siedlungspolitik auf der West Bank steht auch in „Rawabi“, 2012 – 2013, zur Disposition. Ein heller Kamelkieferknochen liegt da auf einem Podest, vergoldet zum Teil und aufgebahrt so, dass er an einen Hügel erinnert. „Rawabi“ bedeutet dann auch „Hügelstadt“ oder „Bergkuppe“ im arabischen. „Rawabi“ ist aber auch der Name der umstrittenen, ersten palästinensischen Stadt, die in den Palästinensischen Autonomiegebieten neugebaut wird.

Ein so poetische wie nachdenkliche Ausstellung zeigt die Galerie carlier / gebauer mit „Expand Extract Repent Repeat“, und stellt einen Künstler vor, der hierzulande zu unrecht noch kaum bekannt ist.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Nida Sinnokrot - Expand Extract Repent Repeat
24.11.2018 - 19.01.2019

Carlier | Gebauer
10969 Berlin, Markgrafenstrasse 67
Tel: +49 30 240 08 63 0, Fax: +49 30 240 08 63 33
Email: mail@carliergebauer.com
http://www.carliergebauer.com


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