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Terror Chic: Attentat schöööön

Als Edward Teller, der gerade verstorbene Mit-Vater der Atombombe, des Entsetzens gewahr wurde, das er angerichtet hatte, sagte er seinen berühmt gewordenen Verteidigungssatz: "Was wollt ihr denn, das ist so schöne Physik". Als Karlheinz Stockhausen den 11. September erlebt hatte, entfuhr ihm der nicht minder berühmt gewordene Spruch von der Vollendung des Gesamtkunstwerks, die im World Trade Center stattgefunden habe. Wenn sich etwas lernen lässt aus der betonten Amoralität solcher Reden, dann ist es der Paradigmenwechsel, der sich ereignet hat. Entgegen allem Unken wird die Leitmotivik der Gegenwart nicht von den Naturwissenschaften, sondern von der Kunst geliefert. Die Gewaltwahrnehmung erfolgt längst durch die Brille des Ästhetischen und genau diese Perspektive dient "Terror Chic" jetzt zur Zelebrierung einer Ausstellung. Kuratiert von Eva Karcher, ausgebreitet in der Münchner Galerie Magers Sprüth, kommen die einschlägigen Namen zum Einsatz, die seit einigen Jahren den Survival Struggle in die behäbigen Gemüter der Art World tragen. Da ist, als hätte ausgerechnet die internationale Brutalität eine Topografie, die Mexico City-Fraktion: Santiago Sierra, Teresa Margolles, Francis Alys als Statthalter sowie als Newcomer Miguel Calderon, Joshua Okon und Daniela Rossell. Da sind Cady Noland mit ihren Absperrungen als eine der Gründungsfiguren und Collier Schorr mit ihren auf schwul drapierten Soldaten als Vertreterin eines vor der Zeit entwickelten Manierismus. Da gibt es Videos, die man erst ab achtzehn anschauen darf, so von Heather Burnett, und wieder einmal bedruckte T-Shirts von Tanja Bruguera. Leider hält sich die Verwegenheit arg in Grenzen, denn obwohl alles versammelt ist, was Trash auf Transgression reimt, kommt die Präsentation nicht recht mit. Die Fotos von Sierra sind nicht seine Performances, von Alys gibt es nur eine liebenswerte, an Magritte erinnernde Collage zu sehen, und Tanja Bruguera konnte auf der letzten Documenta mit ihrer Folterkammer voll gleißenden Lichts auch mehr Härte beweisen. Eine Galerieaustellung ist womöglich nicht das Medium für das, was man zeigen wollte. So fehlt bei "Terror Chic" der Terror. Das Chice dagegen fehlt nicht.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Terror Chic
12.09 - 01.11.2003

Galerie Sprüth Magers
80799 München, Schellingstrasse 48
Tel: +49(0)89-33040600, Fax: +49(0)89-397302
Email: contact@spruethmagers.com
http://www.spruethmagers.com


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