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viennacontemporary: Diskurs statt Portfoliomanagement

Am Wochenende kommen die Rumänen. Schließlich ist Wien nicht Basel oder London, und die viennacontemporary nicht die Frieze oder die Art Basel, wo die besten Stücke nur den Schnellentschlossenen und Superreichen vorbehalten sind. „Die Besten“ steht bei den beiden Konzernmessen im Zusammenhang mit Schlagworten wie Blue Chip, Investment Grade und Konsumierbarkeit. Dass es bei den allen anderen Veranstaltungen, die nicht zum illustren Kreis der sogenannten A-Messen gehören, nicht (mehr) darum geht, der Portfoliodiversifikation der 0,01 Prozent zuzuarbeiten, ist Dilemma und Chance der Branche. Wenn sich erstmal die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Erkenntnisgewinn durch von Gagosian und Co. vertriebener Glitzerware gegen Null geht und Kunst eben nicht vorwiegend Spekulationsobjekt ist, kann man sich auch wieder Inhalten zuwenden.

Genau das ist die Stärke fokussierter Kunstmessen wie der Viennacontemporary mit ihren 118 Galerien, von denen ein Drittel aus Ost- und Südosteuropa stammt. Ihr Schwerpunkt auf diese Region positioniert sie einerseits mit einem einzigartigen Profil in der Messelandschaft, bedeutet aber andererseits die Konzentration auf ein Marktsegment, in dem nicht das große Geld zu verdienen ist. Bei der die Sammler nicht zwingend zur Vernissage kommen. Wie etwa die Rumänen. Die kommen zum Wochenende, weiß Galerist Andrei Jecza aus Temeswar.

Sie treffen in Wien auf ein Angebot, das sich preislich in ganz anderen Sphären bewegt. An fast allen Ständen kann man mit schmalem Budget fündig werden; oft reichen 2.000 oder 3.000 Euro, um eine Arbeit eines jungen Talents zu erwerben, mitunter sogar noch weniger. Nur wenig mehr ist bisweilen für unterbewertete historische Positionen aus den 60er bis 80er Jahren fällig. Kunst, über die man diskutieren kann und muss, um sie verstehen.

Weil sich das Sammleraufkommen nicht nur auf die Vernissage beschränkt, bleibt genügend Zeit für Gespräche, genau das, was im Aufmerksamkeitswettbewerb eine Woche später in London auf der Strecke bleibt. Das schätzen auch Sammler aus dem westlichen Ausland. Aus Deutschland kommen nicht wenige angereist, um anschließend nach Berlin weiterzureisen, oder auch nicht. Die in diesem Jahr zeitgleich abgehaltene Art Berlin macht sich durchaus bemerkbar – in beide Richtungen. Für die nächsten Ausgaben soll es keine Terminkollision mehr geben.

Im Umfeld der Viennacontemporary wirken die hochpreisigen Arbeiten von Daniel Richter oder Tony Cragg bei Thaddaeus Ropac fast wie Fremdkörper, an denen auffällt, dass man diese Abrundung nach oben dann doch ein bisschen vermisst.

Die scheidende Direktorin Christina Steinbrecher-Pfandt sieht ihr Baby gut aufgestellt, ist sich strukturellen Veränderungen im Betriebssystem Kunst jedoch bewusst: „Die Branche verändert sich, viele Galerien schließen und überdenken ihre Strategien. Die Messen werden sich darauf einstellen müssen. Aber alle, die hier sind, sind sich in einem einig: Sie wollen die Kunstmesse als Event, auf dem man zusammenkommt. Und das zählt.“

Mehr Texte von Stefan Kobel

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viennacontemporary
27 - 30.09.2018

viennacontemporary
1030 Wien, Marx Halle / Karl-Farkas-Gasse 19
http://www.viennacontemporary.at
Öffnungszeiten: Zugang nur zu gebuchten Timeslots


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