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Relationale Standortbestimmung

Das 2013 von Andrea Domesle ins Leben gerufene und jährlich stattfindende Videoprogramm quer durch den öffentlichen Raum von Basel, videocity.bs, widmet sich in seiner sechsten Ausgabe dem vielfältigen Werk des Südtiroler Künstlers Tomas Eller – und zeigt weitere Deutungsschichten auf. An drei Stellen, dem größten Videoscreen gegenüber dem Basler Messezentrum, in einem Schaufenster des Kaufhaus Globus in der Basler Innenstadt sowie in der Mediathek im Obergeschoss des Hochhauses der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW mit Blick auf die Stadt und das Umland werden unterschiedliche Arbeiten des Künstlers gezeigt, der Teile seiner Videos neu arrangierte und somit Einblick in sein Werk der letzten zwei Jahrzehnte bietet.

Eine gelungene Choreografie durch die Stadt arbeitet unterschiedliche Ansätze von Ellers Werk, das sich mit naturwissenschaftlichen und physikalischen Momenten und ihren Grenzen auseinandersetzt, heraus. „Cosmic Strings“ nennt Eller seine Präsentation, bei der schon vor der Art Basel auf einem Mediawall das Video eines Helikopters, der immer wieder versucht zu landen, mit Versatzstücken dreier anderer Videos zu sehen ist: etwa ein schlafender Tokioter in der U-Bahn oder sich bewegende Motorradkolben. Die kurzen Zwischensequenzen korrelieren so mit den flüchtigen Blicken der PassantInnen, die sich im Dschungel rund um die Messe aufhalten und den visuellen Irritationen im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. Mit seiner Schnitttechnik hat der Künstler auf die Wahrnehmungs- und Verkehrssituation mit sich vielfach kreuzenden Wegen reagiert und bestehende Filme ineinander gefaltet.

Im Schaufenster des Globus wiederum nähert sich Eller den Mechanismen einer kapitalistischen Geschäftswelt an. In der Vitrine am Boden werden Modellautos als erwerbbare Multiples gezeigt, die aus einem Amalgam an Ferrari und Toyota gerendert und in einer Spielzeugfabrik in Shanghai produziert wurden. Das Video DINO im Hintergrund zeigt die Autos in Bewegung, die mit Sensor ausgestattet sind und beim Zusammenstoßen jeweils die Richtung ändern. Jene Autodrom-artige Jahrmarkt-Atmosphäre thematisiert eine sich ständig akzelerierende Konsumwelt, die sich während der Art Basel am Kunstsektor jährlich zu übertreffen versucht.

Während die Videos im öffentlichen Raum ohne Ton laufen und Straßengeräusche als verstörende Soundkulisse dienen, die eine Verschiebung in der Wahrnehmung und Deutung anregen, können sie in der Mediathek der Hochschule in ihrer Originalversion gesichtet werden, was facettenreiche Blicke auf Ellers Werk ermöglicht. Im September und Oktober folgt schließlich eine Neuproduktion. Durch die positive Rezeption seines Werks wurde der Künstler eingeladen, die Rotunde der Neuen Messe von Herzog & de Meuron zu bespielen. Für diesen Großauftritt arbeitet Eller mit dem Wiener Schriftsteller Wolfgang Popp und der Berliner Autorin Julia Franck zusammen. Geplant ist eine riesige, kreisförmige, animierte Collage aus Wörtern und Bildern, durch welche Trams hindurchfahren. To be continued...

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Bis zum 5.8. am eBoard des Congress Center Basel, Messeplatz 21, und in der Mediathek der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, 8. OG, Freilager-Platz 1.

Mehr Texte von Walter Seidl

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