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Photographs Might Do the Trick

Vor kurzem ist ein neues Buch von Isabelle Graw erschienen.* Die Malerei, so argumentiert sie, habe sich als Medium erwiesen, das auch in Zeiten von Internet und instagrammatischer Bildvermehrung nichts an Aktualität verloren hat. Der Grund: Seit dem 15. Jahrhundert hätte sich die Malerei als besonders theoriefähig gezeigt. Insbesondere die Kritik an ihr hätte ihr Prestige gestärkt. Stets war sie in der Lage, Diskurse aufzugreifen und zu absorbieren. Dies hätte ihr nicht nur ein Überleben abseits der Ateliers und Salons gesichert, sondern ihr letztlich zu einer “Sonderstellung” unter den Kunstgattungen verholfen. Graw führt als Belege das anhaltende Interesse seitens des Marktes an (ein zutreffendes, aber vielleicht nicht besonders gut gewähltes Argument, um die Intellektualisierbarkeit der Malerei unter Beweis zu stellen) und andererseits die Konjunktur jüngerer Ausstellungen über Malerei der Gegenwart, wie zB. jene in München und Wien zu sehende Ausstellung “Painting 2.0” (ein tatsächlich intellektueller Versuch, ein Update der Malerei zu erwirken), allerdings aus einem Kritiker_innen- und Kurator_innenumfeld, dem sie selbst zugehört. Wie auch immer. In den USA stehen die Zeichen für die Malerei schlecht, und dies ist verbrieft. Das Weiße Haus verabschiedete jüngst ein Gesetz, dass es in Hinkunft verbietet, öffentliche Steuergelder für Porträts von Politiker_innen aufzuwenden. Der bestehende Gesetzestext, der bezeichnenderweise “Ego-Act” genannt wird, wurde von Donald Trump höchstpersönlich aufgekündigt. Ein Ölgemälde von sich anfertigen zu lassen, bezeichnete der Präsident in einer Kundmachung als “narzisstisch”. Und setzte gleich mit einem Ratschlag nach: Wer unter seinen Kolleg_innen dennoch darauf besteht, kann ja auf ein anderes Mediums zurückgreifen. “Photographs might do the trick”, so der Kommentar des Präsidenten. Das sei billiger. Und dennoch könnte seine Bemerkung auch anders gelesen werden. Denn die meisten der heute gemalten Portraits entstehen nach der Vorlage von Fotografien. Und dies ist auch, was Graw mit der Absorptionsfähigkeit der Malerei meint. Sie bedient sich der jeweils neueren Technologie, ohne dabei anachronistisch zu werden. Das Porträt, das Elizabeth Peyton vor einem Jahr von Angela Merkel anfertigte, entstand nicht im öffentlichen Auftrag, sondern für die Zeitschrift “Vogue”. Es ist malerisch verflüssigt und nichtsdestoweniger fotografisch. Peyton gibt an, zuvor etwa eine Million Bilder von Merkel aus den letzten 30 Jahren im Archiv der Zeitschrift durchgesehen zu haben. Dieser Aufwand ist nicht gerade billig. Ihr Fazit: Die Bundeskanzlerin sei sichtbar gealtert, vor allem in den letzten zwei Jahren. Ob dies mit dem amerikanischen Präsidenten oder mit der Alterung der Bilder, mit den Gewohnheiten und Erwartungen, mit denen wir Fotos betrachten, etwas zu tun hat, ist zu fragen. Fest steht, dass die Malerei immerhin den Wandel einer Person verzeichnet, und damit dokumentarischer wird als die Fotografie, die wegen dieser Fähigkeit eigentlich geschätzt wird.

* Isabelle Graw: Die Liebe zur Malerei. Genealogie einer Sonderstellung, Zürich: diaphanes 2017.

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Abbildung: Elizabeth Peyton: Angela Merkel, Vogue Cover, Print Version vom 24. Juli 2017, Seite C3 der New Yorker Ausgabe.

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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