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Nicht nur das Geld zählen!

Überschütte dein Gegenüber mit Zahlen, Diagrammen und Tabellen, und es wird nicht merken, wie fragwürdig deine Datenbasis ist. So verfährt seit Jahren der Art Market Report von Clare McAndrew, zunächst für die Tefaf, jetzt zum zweiten Mal für Art Basel und UBS. Doch die Kritik wird lauter.

Immer mehr Autoren bemängeln nicht nur das sehr ungefähre Datenmaterial, das jenseits einigermaßen zuverlässiger Auktionsergebnisse zwangsläufig auf Schätzungen zurückgreifen muss. Da ist der Report in einigen Bereichen sicherlich, in anderen mutmaßlich, breiter als in Vorjahren. Denn mittlerweile werden auch Daten der UBS selbst über die Verteilung des Reichtums und wie er ausgegeben wird einbezogen, sowie Daten von anderen marktspezifischen Dienstleistern wie Artfacts.net, das Informationen zu Galerien und Messen zur Verfügung stellt. Das ist wichtig, um die Entwicklung des Marktes einschätzen zu können, misst aber keine Umsätze. Die gibt es vom Primär- und Sekundärmarkt schlicht nicht in ausreichender und vor allem zuverlässiger Qualität. Und genau da ist die Autorin, die sich selbst Transparenz auf die Fahnen geschrieben hat, recht intransparent. Sie lege an vielen Stellen nicht einmal offen, welche Zahlen empirisch solide erhoben wurden und welche auf Schätzungen beruhten, so die Kritik. Selbst das existierende Zahlenmaterial wird nicht zugänglich gemacht, sondern nur das Ergebnis. Rücklaufquoten auf Fragebögen von 14 Prozent können da kaum als repräsentativ gelten.

Doch alles Lamentieren hilft wenig mangels Alternativen. Und so starrt der gesamte Markt auf das Elaborat wie das Kaninchen auf die Schlange. Da ist Zuwachs zu vermelden, gut 20 Prozent. So viel hat der Report selbst an Umfang zugelegt. Der Kunstmarkt insgesamt sei gegenüber dem Vorjahr um 12 Prozent gewachsen, auf 63,7 Milliarden US-Dollar. Der Betrag mag strittig sein, und das Ausmaß überraschen, es klingt jedoch nicht unwahrscheinlich. Die Ergebnisse der großen Auktionshäuser geben das jedenfalls her. Deren Umsatz sei nämlich um satte 27 Prozent gewachsen, auf 28,5 Milliarden Dollar, während die Galerien sich mit einem 4-prozentigen Anstieg begnügen mussten.

An dieser Stelle wird es ziemlich trist. Denn auch dieser magere Zuwachs gehe ausschließlich auf das Konto der Großgalerien mit einem Jahresumsatz jenseits von 50 Millionen Dollar, die um 10 Prozent zulegten. Die Galerien mit weniger als 500.000 Dollar Jahresumsatz hingegen hätten Einbußen von 4 Prozent hinnehmen müssen. Das sind in Kontinentaleuropa die meisten. Und es sind genau diejenigen, die jungen KünstlerInnen am Anfang ihrer Laufbahn eine Plattform bieten und den Kontakt zur Sammlerschaft und den Museen aufbauen.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Galerieschließungen die der Neueröffnungen übersteigt. Dieser Umstand ist leider nicht geschätzt oder ausgedacht, sondern beruht auf einigermaßen zuverlässigen Zahlen, wie sie ein Anbieter wie Artfacts.net liefern kann, der sich eben nicht aufs Geldzählen konzentriert, sondern das gesamte Umfeld erfasst.

Das sollten auch die Politik sowie die Galerien selbst tun. Denn die meisten Ausstellungen, Kontakte und auch Arbeitsplätze entstehen in diesem Bereich, der immer prekärer wird. Mit einer kleinlichen Gesetzgebung, die gerade den Mittelstand trifft, aber auch mit lokalen oder privaten Animositäten wird es nicht gelingen, die unvergleichlich breite und reiche Kultur des Kunstdiskurses gegen den globalen Raffke im Kunstkleid zu verteidigen.

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Der gesamte Report kann --> hier als PDF downgeloaded werden (Registrierung erforderlich)

Mehr Texte von Stefan Kobel

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